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Börsen-Zeitung: Noch mal die Kurve gekriegt, Kommentar zur Zinserhöhung der EZB von Jürgen Schaaf

Frankfurt (ots)

Im Englischen bezeichnet der Ausdruck "behind
the curve" ein Zurückbleiben hinter aktuellen Entwicklungen. Wer 
"hinter der Kurve" liegt, läuft Gefahr, von der Realität abgehängt zu
werden. Diesem Vorwurf sah sich die Europäische Zentralbank (EZB) in 
den zurückliegenden Jahren mehrfach ausgesetzt. Das war so, als sie 
nach den Einbrüchen der Finanzmärkte nach dem Platzen der 
New-Economy-Blase und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 
deutlich später die Zinsen gesenkt hatte als etwa die amerikanische 
Notenbank. Und das ist derzeit so, da sich die Wirtschaft im Euroraum
erholt und sich ein kräftiger Aufschwung materialisiert, die EZB aber
bislang nur zögerlich die Zinsen angehoben hatte: Im Abstand von drei
Monaten hatten die Währungshüter mit Sitz in Frankfurt seit Dezember 
vergangenen Jahres den Leitzins von 2,0% auf 2,75% im Juni erhöht - 
dieses Niveau ist aber immer noch stimulierend.
Jetzt hat sie den Rhythmus beschleunigt, die Taktfrequenz der 
Normalisierung verkürzt. Nicht nur, dass gestern bereits nach zwei 
Monaten seit dem letzten Streich der Schlüsselzins für den Euroraum 
auf 3,0% angehoben wurde. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet 
signalisierte außerdem, dass die nächste Stufe auf der Zinstreppe im 
Oktober genommen werde. Die Normalisierung der Geldpolitik wird also 
beschleunigt. Mit dem neuen Rhythmus sollte es der EZB tatsächlich 
gelingen, hinreichend schnell die monetäre Unterstützung der 
Wirtschaft zurückzunehmen, um die Inflationsgefahren zu mindern. Wie 
es aussieht, haben die Notenbanker noch einmal die Kurve gekriegt.
Aber Vorsicht, die nächste Kurve ist bereits in Sicht. Die 
Stimmungsindikatoren für die europäische Konjunktur deuten auf eine 
Abkühlung im kommenden Jahr hin. Auch wird eine schwächere 
US-Wirtschaft das Wachstum in Euroland dämpfen, und ein rasant 
abwertender Dollar würde nicht spurlos am exportstarken Euroraum 
vorbeigehen. Der Nahost-Konflikt, und die hohen Ölpreise könnten ein 
Übriges tun. Sollten diese Szenarien eintreten, könnten mehrere 
weitere Zinserhöhungen über das Ziel hinausschießen und die 
Konjunktur abwürgen. Die EZB ist sich dieser Risiken aber bewusst. 
Deswegen legt sie kein Ziel der aktuellen Straffung fest. Insofern 
darf man guter Dinge sein, dass sie ihr "Kurvenverhalten" allmählich 
optimiert.

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