Börsen-Zeitung: Vodafone rutscht vom Thron, Kommentar von Norbert Hellmann zum Verlust der Spitzenposition als Mobilfunkkonzern mit der größten Marktkapitalisierung
Frankfurt (ots)
Die Macht der Gewohnheit will es, dass man bei der Erwähnung des britischen Mobilfunkriesen Vodafone reflexartig vom Branchenführer oder der weltweiten Nummer 1 spricht. Ein Blick auf die nackte Zahlenrealität mahnt allerdings dazu, mit solchen Prädikaten künftig vorsichtiger umzugehen.
Vom Umsatzvolumen her gibt Vodafone noch immer den größten Branchenanbieter ab. Nimmt man aber beispielsweise die Kundenzahl als Maßstab für Größe, ist Vodafone spätestens seit der Trennung von ihren japanischen Aktivitäten mit rund 186 Millionen Kunden nur noch Nummer 2 hinter China Mobile, die auf über 200 Millionen Nutzer kommt.
Angesichts des chinesischen Bevölkerungsreichtums muss man dies bei Vodafone kaum als Zurücksetzung empfinden. Anders sieht es beim Blick auf die Börsenbewertung aus. Seit dieser Woche ist auch die Kapitalmarktdimension neu zurechtgerückt worden. Vodafone rutscht vom Spitzenplatz beim Marktwert. Weltgrößter börsennotierter Mobilfunkanbieter ist nun ebenfalls der Newcomer aus China.
Das tut weh. Tatsächlich hat die Vodafone-Aktie nach 6% Kursrückgang in der vergangenen Woche ein 52-Wochen-Tief bei 110 Pence erreicht und kommt damit auf knapp 58 Mrd. Pfund Marktwert. Die in Hongkong gelistete China Mobile kletterte auf über 51 HK-Dollar und liegt nun umgerechnet bei knapp 70 Mrd. Pfund.
Allein wegen der regionalen Beschränktheit des Marktauftritts von China Mobile und der bekannten Tücken chinesischer Aktienmärkte ändert sich nichts an der Stellung Vodafones als globale Benchmark für die Portefeuillegestaltung institutioneller Investoren. Dennoch kommt man nicht umhin, der Entwicklung eine gewisse Symbolkraft für den revidierten Machtanspruch der jahrelang als unantastbar und vor allem unfehlbar geltenden Vodafone beizumessen.
Unzufriedene Anleger hatten jüngst erst auf der Vodafone-Hauptversammlung bei der Wiederwahl von Chief Executive Arun Sarin mehr als 10% Gegenstimmen angemeldet. Das ist noch keine Palastrevolte, aber auch mehr als nur ein Nasenstüber. Sarins Zukunft als Strategielenker bei Vodafone wird immer stärker in einen direkten Zusammenhang mit der Kursperformance der Vodafone-Aktie gebracht. Da kommt das Vorbeiziehen von China Mobile zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt.
(Börsen-Zeitung, 16.8.2006)
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