Börsen-Zeitung: Prozessieren lohnt sich, Kommentar von Claus Döring zum erstinstanzlichen Urteil im Spruchstellenverfahren zur Fusion von Daimler-Benz und Chrysler
Frankfurt (ots)
Sieben Jahre hat es gedauert, bis im Spruchstellenverfahren zur Fusion von Daimler-Benz und Chrysler jetzt ein erstinstanzliches Urteil gesprochen wurde. Während dieser Zeit hat der damals entstandene Konzern mehr Tiefen als Höhen erlebt und sämtliche in der Fusions-Hauptversammlung des Jahres 1998 gewagten Prognosen Lügen gestraft. Keine zwei Jahre nach der Fusion waren die von den Investmentbanken und Daimler-Chef Jürgen Schrempp in den rosigsten Farben entworfenen Zukunftsgemälde für DaimlerChrysler Makulatur. Anstatt der für 2000 prophezeiten gut 5 Mrd. Euro Ergebnisbeitrag lieferte Chrysler nur noch 500 Mill., ehe der US-Autobauer sogar in die roten Zahlen rutschte. Ein paar Jahre später passierte das Gleiche bei Mercedes. Angesichts des Wertverlusts der Aktionäre von mehr als 40 Mrd. Euro allein zwischen Sommer 1999 und Ende 2000 nehmen sich die nun nachzubessernden 232 Mill. Euro als Peanuts aus, sofern das Urteil erster Instanz Bestand hat.
Hatten die Skeptiker von 1998 also den besseren Blick auf die Zahlen und den Zustand von Daimler-Benz und Chrysler? Klare Antwort: nein. Sonst wären nicht mehr als 98% der Daimler-Benz-Aktionäre dem Angebot des Unternehmens zum Tausch ihrer Titel in jene der DaimlerChrysler AG gefolgt, obwohl bekannt war, dass die Umtauschrelationen den Chrysler-Aktionären eine Prämie von 34% bescherten.
Die Skeptiker hatten aber die besseren Kenntnisse im deutschen Gesellschaftsrecht und argumentierten damals schon mit der statistischen Wahrscheinlichkeit: In zwei Dritteln aller Spruchstellenverfahren in Deutschland komme es zur Nachbesserung für die Aktionäre. Also sprachen sich selbst die Aktionärsvereinigungen seinerzeit zwar für die Fusion aus, empfahlen den Kleinanlagern aber zugleich, ihre Aktien beim Zustandekommen der Fusion nicht zu tauschen, um bei einem späteren Spruchstellenverfahren in den Genuss von Nachbesserungen zu kommen.
Die wirkliche Botschaft im Urteil des Stuttgarter Landgerichts lautet deshalb nicht, dass das Tauschverhältnis beim "Merger of Equals" damals um 22,15 Euro je Daimler-Aktie zu niedrig war. Solche Festlegungen sind weitgehend beliebig. Die wahre Botschaft lautet vielmehr, dass sich Klagen für Aktionäre (fast) immer lohnen - auch wenn es mitunter sieben Jahre dauert.
(Börsen-Zeitung, 22.8.2006)
Rückfragen bitte an:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell