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Börsen-Zeitung: Ohrfeige für den Lotto-Block, Kommentar von Björn Godenrath zur Entscheidung des Bundeskartellamts zur Liberalisierung des Lottovertriebs

Frankfurt (ots)

Da hat Kartellamts-Chef Ulf Böge den
Lottogesellschaften aber mal richtig auf die Finger geklopft. Der 
stationäre Vertrieb von Lotterieprodukten darf sich künftig nicht 
mehr auf die regionalen Annahmestellen des deutschen Lotto- und 
Totoblocks beschränken. Die private Konkurrenz kann die Scheine mit 
den Kreuzchen dem Urteil zufolge auch in Supermärkten entgegennehmen 
und bei den staatlichen Wettbehörden einreichen. Damit ist der 
endgültigen Liberalisierung des Lottomarktes der Weg geebnet, das 
staatliche Monopol in der Urteilsbegründung sogar komplett in Frage 
gestellt - auch wenn Böge das erstmal so nicht verstanden wissen 
will.
Der Sprengstoff des Urteils liegt gar nicht so sehr in dem 
konkreten Entscheid, sondern vielmehr in der Begründung. Auf mehreren
Seiten führen die Wettbewerbshüter aus, dass es sich bei 
Lottogesellschaften nicht um Einrichtungen zur Erfüllung hoheitlicher
Aufgaben handelt. Dabei grenzt Böge hoheitliches und 
privatwirtschaftliches Handeln nach den Maßstäben des Europa-Rechts 
ab und stellt fest, dass den privatrechtlichen Lottogesellschaften 
keine hoheitlichen Befugnisse für öffentliche Aufgaben übertragen 
worden sind. Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof werden 
zitiert und daraus gefolgert, die Lottogemeinschaft sei "kein Träger 
staatlicher Verwaltung" - was die Wettbewerbshüter unter Punkt 85 zu 
einer deutlichen Bemerkung veranlasst: "Auch wenn sich die 
Lottogesellschaften unter Berufung auf ein ordnungsrechtliches 
Selbsverständnis hoheitliche Befugnisse selbst zuschreiben, so 
existieren sie dennoch nicht."
All das lässt nur einen Schuss zu: Lottogesellschaften sind 
Unternehmen, die sich dem Wettbewerb zu stellen haben. Böge setzt 
hier mit der Hinzuziehung des EU-Rechts ein Signal - und er tut gut 
daran. Schließlich hat die EU-Kommission bereits ein 
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Sachen Sportwetten 
eingeleitet.
Wenn aber den Lotteriegesellschaften keine Erfüllung hoheitlicher 
Aufgaben zugebilligt wird, wie sollte dies für die staatliche 
Sportwette Oddset gelten? Die Monopolbewahrer wollen sich von 
nationalen Gerichten das "öffentliche Interesse" bestätigen lassen, 
ein Schlupfloch, das vom EU-Recht gewährt wird. Im Licht der 
Kartellamtsentscheidung ist anzuzweifeln, dass ein solches Interesse 
Grundlage in einem Glücksspielsektor sein kann, der von fiskalischen 
Interessen geleitet ist.
(Börsen-Zeitung, 29.8.2006)

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