Börsen-Zeitung: Telekom im Rückzugsgefecht, Kommentar von Heidi Rohde zu den bislang erfolglosen Bemühungen der Deutschen Telekom, den galoppierenden Marktanteilsverlust im inländischen Festnetzgeschäft zu stoppen
Frankfurt (ots)
Nach der harschen Gewinnwarnung, die die Deutsche Telekom bei der Präsentation der Halbjahreszahlen serviert hatte, waren die Erwartungen an einen Befreiungsschlag, den die angekündigte Tarifoffensive zur Internationalen Funkausstellung (IFA) bringen sollte, hoch gespannt. Immerhin geht es um nichts weniger, als den galoppierenden Verlust von Kunden und Marktanteilen im inländischen Festnetzgeschäft endlich zu stoppen. Denn die T-Com hat sich aufgrund des harten Wettbewerbs zum Krisenherd des Konzerns entwickelt. Ihre fehlgeschlagene Wachstumsstrategie ist der wesentliche Grund für die drastische Prognosekorrektur der Telekom, die am Markt zugleich als Eingeständnis des Scheiterns des Managements interpretiert wurde.
Dem Verfall der T-Aktie konnte die Tarifoffensive gestern keinen Einhalt gebieten. Just am Tage ihrer Verkündung setzte die Investmentbank Credit Suisse - die die T-Aktie ohnehin mit "Underperform" einstuft - das Kursziel drastisch von 12,50 auf 10,50 Euro zurück. Kurz zuvor hatte sich Goldman Sachs skeptisch über den Erfolg der ebenfalls neu formierten Mobilfunktarife geäußert. Insgesamt hat die Telekom mit ihrem auf der IFA vorgestellten Konzept die Analysten nicht überzeugt. Sie hat den Abstand zu den Wettbewerbern verkürzt, aber sie bleibt unter vielen Jägern die Gejagte. Denn obwohl die Bonner ein differenziertes Tarifmodell vorgelegt haben, das ihrem breiten Kundenstamm Rechnung trägt, werden die Wettbewerber bald nachziehen.
Auf diese Weise kommt der Marktführer nicht aus der Defensive - was zweifellos bei einem Ex-Monopolisten eine gewissermaßen natürliche Rolle ist. Jedoch erweckt die Telekom - vor allem im Festnetz - seit geraumer Zeit den Eindruck, als würden die Bastionen im ungeordneten Rückzug fallen. An Entschuldigungen für die Misere herrscht kein Mangel: Die Regulierung ist eine Fessel am Bein, ein hoher Personalüberhang erschwert der T-Com den Preiswettbewerb, nicht zuletzt erwies sich die verzögerte Integration von T-Online als schwerwiegendes Hemmnis im Kampf um die Kunden.
Derlei Ursachenforschung wird allerdings nicht ausreichen, um den Aufsichtsrat von der richtigen strategischen Ausrichtung der Telekom zu überzeugen. Da muss Konzernchef Kai-Uwe Ricke schon mehr bieten.
(Börsen-Zeitung, 1.9.2006)
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