Börsen-Zeitung: Show mit der Politik, Kommentar zum Wehklagen der Lebensversicherer von Antje Kullrich
Frankfurt (ots)
Eigentlich ist das Bundesfinanzministerium die ausgegliederte Marketingabteilung der deutschen Lebensversicherer. Alle paar Jahre inszenieren Politik und Assekuranz einen handfesten Streit, der das Geschäft kurzfristig so richtig ankurbelt. Schon zweimal schrien die Lebensversicherer Zeter und Mordio, als der Finanzminister erst 1999 vergeblich und dann 2004 erfolgreich versuchte, das Steuerprivileg für die kapitalbildende Lebensversicherung zu kippen. Im vergangenen Jahr wetterten die Lobbyisten öffentlichkeitswirksam gegen Unisex-Tarife in der Rentenversicherung und riefen den "Männerschlussverkauf" aus.
Der Blick in die Statistiken des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft jedoch zeigt, dass das Wehklagen der Lebensversicherer über scharfe Einschnitte der Politik zu einem ganz gehörigen Teil Show ist. Die Branche hat es in den vergangenen Jahren insgesamt hervorragend geschafft, sich an die vom Gesetzgeber geschaffenen Rahmenbedingungen anzupassen. Zwar hat sich ihr Produktmix stark verändert - dem stetigen Wachstum jedoch hat das keinen Abbruch getan. Die Beitragseinnahmen der Lebensversicherer, die 1990 bei 27,4 Mrd. Euro lagen, haben sich seit der Wiedervereinigung annähernd verdreifacht. Der GDV rechnet für 2006 mit einem Volumen von 75,5 Mrd. Euro. Nur verkaufen Allianz & Co heute eben andere Produkte als vor 15 Jahren. Lag der Anteil der klassischen kapitalbildenden Lebensversicherung 1990 noch bei 93% des Neugeschäfts, so ist er im ersten Halbjahr 2006 auf 25% gesunken.
Den Platz als tragende Säule des Geschäfts haben Rentenversicherungen eingenommen. Auf sie entfallen mittlerweile gut zwei Drittel des Neugeschäfts. Und die Politik hilft kräftig mit: Denn der aktuelle Verkaufsschlager der Branche heißt Riester-Rente, jene zunächst wegen ihrer bürokratischen Ausgestaltung stark kritisierte staatlich geförderte Altersvorsorge. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der nächste Vertriebshit der deutschen Lebensversicherer eine modifizierte Ausgabe der Rürup-Rente würde. Hat schon mal ein Manager "Danke" in Berlin gesagt?
Der eigentliche "Feind" der Lebensversicherer ist nämlich der Kapitalmarkt. Denn der hat einige Gesellschaften vor nicht allzu langer Zeit ernsthaft ins Wanken gebracht - etwas, was Finanzpolitiker beim besten Willen noch nie geschafft haben.
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