Börsen-Zeitung: Chicagos Paukenschlag, Kommentar zur Börsenfusion in Chicago von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots)
Mit einer faustdicken Überraschung geht die globale Börsenkonsolidierung in eine neue Runde - wenn sie nicht sogar in ein neues Stadium eintritt. Waren alle Augen vor allem auf den Kampf der New York Stock Exchange (Nyse) und der Deutschen Börse um Euronext gerichtet, haben nun völlig unerwartet die Terminbörsen Chicago Mercantile Exchange (CME) und der Chicago Board of Trade (CBoT) ihre Fusion bekannt gegeben.
Chicagos Paukenschlag wird Folgen für den gesamten Konsolidierungsprozess haben. Mit knapp 26 Mrd. Dollar entsteht der nach Marktkapitalisierung mit Abstand größte Börsenbetreiber der Welt, der sich zudem mit dem Derivate-Handel auf das am stärksten wachsende Finanzmarktsegment fokussiert. Ein potenziell gefährlicher Wettbewerber, der unter Umständen noch erheblichen Akquisitionshunger entwickeln wird. Denkbar auch, dass der neue Riese dem Beispiel der Chicago Board Options Exchange folgen und den US-Aktienbörsen Konkurrenz machen wird.
Überraschend ist der Coup, weil er so gar nicht zur Historie der Beziehungen beider Börsen passt. Noch bis in dieses Jahrhundert hinein blockierte die Rivalität beider Börsen gemeinsame Projekte. Erst nach langen Verhandlungen gelang z.B. Mitte der 90er Jahre eine Vereinbarung, durch die die CME und CBoT-Mitglieder für ihre an beiden Börsen getätigten Transaktionen nicht mehr separate Konten verwenden müssen. Verhandlungen über ein gemeinsames Clearing scheiterten mehrfach. Erst der Versuch der Eurex, im Dollar-Derivatemarkt Fuß zu fassen, führte zum gemeinsamen Clearing.
Dabei überrascht allerdings lediglich der Zeitpunkt der Fusionsvereinbarung, denn sie ist einfach nur logisch. Nach dem Zusammenschluss wird niemand in der Lage sein, dem neuen Derivate-Riesen am US-Markt gefährlich zu werden. Hinzu kommen die Kostensynergien, die die Börsen nun heben können.
Davon werden auch die Börsennutzer profitieren. Sichtbar wurden die in Chicago schlummernden Synergien bereits durch das 2004 eingeführte gemeinsame Clearing. Die Börsenkunden haben dadurch Milliardenbeträge eingespart. Diese Erfahrung hat möglicherweise den Fusionsprozess beschleunigt. Aber auch der Griff von Nyse und Nasdaq nach europäischen Börsen hat wahrscheinlich beschleunigend gewirkt.
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