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Börsen-Zeitung: Dogmenstreit, Kommentar zur RWE-Abmahnung durch das Kartellamt wegen überhöhter Industriestrompreise von Brunfrid Rudnick

Frankfurt (ots)

Politik und Wettbewerbshüter haben die Pflicht,
für preisgünstige Energie zu sorgen. Doch weil der Kampf gegen hohe 
Strompreise so populär ist, besteht die Gefahr der Überreaktion 
jenseits des Pfades der ordnungspolitischen Tugenden. Zu den 
untauglichen politischen Versuchen, den Strompreis zu bändigen, 
gehört die beabsichtigte Verschärfung der kartellrechtlichen 
Missbrauchsaufsicht. Denn falls sich das Bundeskartellamt mit seiner 
jüngsten Abmahnung gegen RWE wegen missbräuchlich überhöhter 
Strompreise durchsetzen kann, wäre eine Novellierung des 
Kartellrechts überflüssig.
Im Kern geht es um den Dogmenstreit, ob die Stromversorger die 
kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate mit ihrem an der Energiebörse 
ermittelten Marktwert im Strompreis für Industriekunden voll 
kalkulieren dürfen. In der Begründung für die Abmahnung lassen sich 
jedoch Schwachpunkte erkennen. Das Kartellamt unterstellt eine 
marktbeherrschende Stellung von RWE und Eon, die gemeinsam gut 60% 
der Nettostrommenge produzierten. VDEW hat jüngst einen addierten 
Marktanteil von knapp 34% errechnet. Wer hat recht?
Dass die Versorger wegen der überragenden Marktstellung diese 
Opportunitätskosten leichter überwälzen können als andere Branchen, 
wird von renommierten Wissenschaftlern angezweifelt. Beispielsweise 
kann die Stahlindustrie den Zertifikatpreis deshalb nicht 
weiterreichen, weil sie gegen ausländische Wettbewerber antritt, die 
keine Zertifikatkosten haben.
Im Wettbewerb wie im Monopol wird der Preis, zu dem sich Angebot 
und Nachfrage ausgleichen, von den Grenzkosten und nicht von den 
Durchschnittskosten bestimmt. Deshalb verursacht der Verbrauch der 
zum Marktpreis bewerteten Zertifikate bei der Stromerzeugung echte 
variable Kosten. Allerdings: Die unübersehbaren stattlichen 
Zusatzgewinne aus kostenlosen Zertifikaten hat die Politik zu 
verantworten, die die CO2-Rechte kostenlos ausgegeben hat.
Natürlich würde es den Beifall der Industrie finden, wenn RWE und 
andere die Kosten für Verschmutzungsrechte statt mit 12 Euro nur mit 
3 Euro je Megawattstunde geltend machen dürften. Das hätte nicht nur 
den Charme einer direkt preisdämpfenden Wirkung. Darüber hinaus 
könnten die zu viel gezahlten Summen zivilrechtlich eingeklagt werden
- falls sich das Kartellamt durchsetzt.

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