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Börsen-Zeitung: Radikale Energiepolitik, Kommentar zur Brüsseler Forderung die Energiekonzerne zu entflechten von Brunfrid Rudnick

Frankfurt (ots)

Mit dem Versprechen, die Strompreise senken zu
wollen, finden die absurdesten Vorschläge für eine neue 
Energiestrategie den Beifall einer breiten Öffentlichkeit. Es darf 
auch in Brüssel eine radikale industrielle Revolution des 
europäischen Energiemarktes ausgerufen werden, mit der die Prinzipien
einer marktwirtschaftlichen Steuerung auf den Kopf gestellt würden. 
Der EU-Kommissionspräsident Barroso und die Wettbewerbskommissarin 
Kroes wollen mit einem Paukenschlag eine neue Ära in der europäischen
Energiepolitik einläuten. Sie wollen die großen Energiekonzerne 
entflechten und sie zwingen, ihre Netze zu verkaufen.
Das Brüsseler Strategiepapier muss ernst genommen werden, ganz im 
Gegensatz zu dem Verlangen des hessischen Wirtschaftsministers Alois 
Rhiel nach einem Zwangsverkauf der Kraftwerke. Legt man beide 
"Modelle" nebeneinander, so würde es übermorgen nur noch virtuelle 
Energiekonzerne geben.
Dass der Wettbewerb auf Europas Energiemärkten nicht vollkommen 
ist, sei unbestritten. Und wenn Kroes grobe Verstöße gegen das 
Wettbewerbsrecht festgestellt hat, dann soll sie diesen Missbrauch 
unnachsichtig abstellen. Es wird auch zu wenig in die Netze 
investiert, aber nicht aus Eigennutz der Konzerne und zum Schaden des
Verbrauchers, wie Kroes meint, sondern weil Genehmigungsverfahren zu 
lange dauern. Die Drohung mit der Entflechtung löst zwangsläufig 
Attentismus aus, denn wer investiert schon in ein vor der Enteignung 
stehendes Netz.
Es ist ein frommer Wunsch zu glauben, allein der Zwangsverkauf der
Netze würde den Wettbewerb anfachen und die Preise nach unten 
treiben. Denn gleichgültig, wer Eigentümer wird, der Betrieb eines 
Netzes bleibt ein natürliches Monopol, das der staatlichen 
Regulierung bedarf. Der politische Aktionismus in Brüssel kommt auf 
jeden Fall zur Unzeit.
Auf den Energiemärkten wird in Zeitspannen von Jahrzehnten gedacht
und gehandelt. Entsprechend lang sind die Reaktionszeiten. Das gilt 
erst recht für die Entfaltung von Wettbewerbskräften, die aber 
durchaus schon ihre Wirkung zeigen. Das Recht auf Eigentum darf nicht
zugunsten eines völlig ungewissen Impulses für mehr Wettbewerb 
ausgehebelt werden. Ungeduldiger Populismus verträgt sich nicht mit 
einer effizienten Energiepolitik.

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