Börsen-Zeitung: Nicht der ganz große Wurf, Kommentar von Brunfrid Rudnick zum angekündigten Wechsel an der RWE-Spitze
Frankfurt (ots)
Die erste spontane Reaktion der Börse auf den Wechsel an der RWE-Spitze zum 1. Februar 2008 lässt nur eine Interpretation zu: Dem Kapitalmarkt gefällt die Entscheidung nicht, die der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas R. Fischer eingefädelt hat. Um bis zu 4% sackte der RWE-Kurs nach Verbreitung der Nachricht durch. Am Kapitalmarkt hätte man es begrüßt, wenn dem Amtsinhaber Harry Roels, der erst am 26. Juli 2008 die bei RWE geltende Altersgrenze von 60 Jahren erreicht, seinem Wunsch entsprechend eine Vertragsverlängerung gewährt worden wäre.
Der Niederländer verfolgte von Beginn an eine kapitalmarktorientierte Politik und löste seine Versprechen ein. Er hat den Konzern auf Strom und Gas fokussiert, hat aus dem Schuldenberg von netto 23 Mrd. Euro ein Guthaben von 2 Mrd. Euro entstehen lassen, und er hat den Aktienkurs während seiner Amtszeit verfünffacht. Dass der Konzern mit dieser Leistung zum Übernahmekandidaten wurde, wird ihm der Kapitalmarkt nicht ankreiden.
Die überraschende Wahl des Stahlunternehmers Jürgen Großmann zum neuen Vorstandschef dürfte dem RWE-Kurs einen weiteren Dämpfer versetzt haben. Er gilt zwar als ein sehr erfolgreicher Unternehmer und als ausgewiesener Stahlexperte mit guten Drähten zur Politik. Doch für die Energiewirtschaft und den Kapitalmarkt ist er ein unbeschriebenes Blatt, und für die Führung eines Großkonzerns bringt der Mittelständler keine Expertise mit.
Man sagt Großmann zwar nach, er denke als Unternehmer unabhängig von modischen Strömungen in Wirtschaft und Politik. Er wird jedoch den RWE-Aktionären glaubwürdig vermitteln müssen, dass er sich ausschließlich um RWE und nicht mehr um "seine" Georgsmarienhütte kümmern wird. Frischer Wind durch neue Ideen kann dem Energiekonzern nicht schaden. Man wüsste nur gerne, welche langfristige Strategie sich mit dem Namen Großmann verbinden wird.
Der wirklich große Wurf ist Fischer nicht gelungen, gemessen an seinem eigenen Anspruch, Roels im Interesse einer langfristigen Regelung ziehen zu lassen. Großmann wird Anfang März 55 Jahre alt. Entsprechend der für Roels geltenden Altersgrenze von 60 Jahren bleibt ihm nur eine Amtsperiode. Doch vielleicht ist das in unserer schnelllebigen Zeit schon eine langfristige Perspektive.
(Börsen-Zeitung, 22.2.2007)
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