Börsen-Zeitung: Eon behält Pokerface, Kommentar von Christoph Ruhkamp zur aktuellen Situation beim Versuch der Endesa-Übernahme
Frankfurt (ots)
Wer in Spanien einen Stromkonzern übernehmen will, sollte die Regierung um Erlaubnis fragen. Das ist in den vergangenen zwölf Monaten klargeworden. Eon hat dies aus Gründen der Geheimhaltung der Offerte für Endesa nicht getan und musste deshalb die Konsequenzen tragen: Madrid legte den Deutschen alle denkbaren Hürden in den Weg. Dass solche Widerspenstigkeit beim Einstieg des staatlich kontrollierten Stromkonzerns Enel aus Italien bei Endesa unterblieb, lässt ganz klar auf eine Absprache mit der Regierung schließen.
Trotz der augenscheinlich unfairen Wettbewerbsbedingungen hält jedoch der deutsche Konzern nach über einem Jahr Übernahmepoker zahlreiche Trümpfe in der Hand. Denn sollten die drei Großaktionäre bei Endesa - Enel, Acciona und Caja Madrid - auch nur von Ferne den Anschein einer Allianz erwecken, dann wird sich die Börsenaufsicht an ihre Fersen heften und mindestens ein öffentliches Angebot an alle Aktionäre durchsetzen. Die drei Großaktionäre sind deshalb - ob sie sich als direkte Gegner Eons sehen oder nicht - zum Stillhalten verdammt.
Eon hat nun drei Wochen Zeit, eine möglichst große Anzahl von Endesas Kleinaktionären, die fast 50% der Anteile halten, auf ihre Seite zu ziehen. Entscheidungen über Alternativpläne im Falle eines Scheiterns an der 50%-Schwelle muss der deutsche Konzern in dieser Zeit nicht treffen. Eon kann das Pokerface behalten und nach Ende der Annahmefrist einen neuen Anlauf nehmen, um einen der drei Großaktionäre aus der Phalanx herauszulösen und zur Abgabe seines Pakets zu bewegen.
Sowohl Enel als auch Acciona und die Caja Madrid dürften dabei auf einen Nachschlag zu der derzeit geltenden Offerte hoffen. Sie gehen mit diesem Pokerspiel aber zugleich ein hohes Risiko ein. Denn erstens könnte sich Eon für einen der drei Anteilseigner entscheiden und die beiden anderen im Regen stehen lassen. Und zweitens könnten sich die Deutschen im letzten Moment doch noch frustriert aus Spanien zurückziehen. Dann würde der Kurs der Endesa-Aktie kräftig einbrechen. Insbesondere für Italiens Enel, die sich zum Höchstpreis von 39 Euro je Aktie und für insgesamt mehr als 8 Mrd. Euro eingekauft hat, fiele ein kräftiger Buchverlust an. Es ist zu bezweifeln, dass Enel tatsächlich wie behauptet strategische Pläne für Endesa hat, die dies aufwiegen würden.
(Börsen-Zeitung, 8.3.2007)
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