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Börsen-Zeitung: Wechselspannung Kommentar zur Lage und den Aussichten bei Siemens, von Claus Döring

Frankfurt (ots)

Dass bei gegebener Stromstärke mit wachsendem
Widerstand die Spannung steigt, ist nicht nur das Grundgesetz der 
Elektrotechnik, sondern vor allem der Zustand im Siemens-Konzern vor 
der heutigen Aufsichtsratssitzung. Zu euphorisch war der Rücktritt 
des Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich v. Pierer Ende voriger Woche 
von den Märkten und Medien als Befreiungsschlag für Vorstandschef 
Klaus Kleinfeld gefeiert worden, als dass dies nicht wenigstens 
Stirnrunzeln bei manchen Aufsichtsratsmitgliedern auslösen musste. 
Denn eine Vertragsverlängerung ohne Wenn und Aber für Kleinfeld in 
der heutigen Aufsichtsratssitzung würde wie ein Persilschein durch 
das Kontrollgremium aussehen, und zwar zu einer Zeit, da die 
staatsanwaltlichen und firmeninternen Ermittlungen zur 
Korruptionsaffäre noch längst nicht abgeschlossen sind.
Die Aufklärung der Schmiergeldaffären und die Lösung der davon 
losgetretenen Führungskrise bei Siemens sind zur Nagelprobe der 
Corporate Governance in Deutschland geworden. Es geht um die 
Reputation der deutschen Wirtschaft in der Welt, zu deren 
Aushängeschildern Siemens zählt. Wer wollte es Gerhard Cromme 
verdenken, wenn er den Neubeginn bei Siemens und die Übernahme des 
Aufsichtsratsvorsitzes deshalb an eine Neubesetzung auch an der 
Vorstandsspitze knüpfen würde? Auf der Arbeitnehmerbank würde er 
nicht lange nach Verbündeten suchen müssen. Denn mit seiner strikt 
kapitalmarktorientierten Portfoliopolitik hat sich Kleinfeld zwar bei
den Aktionären, nicht aber bei den Arbeitnehmervertretern Freunde 
gemacht.
Doch bei all dem darf nicht vergessen werden, worum es heute gehen
sollte: Nicht um die Befindlichkeiten und aktienrechtlichen 
Absicherungsstrategien einzelner Aufsichtsratsmitglieder, sondern um 
die erfolgreiche Zukunft des Unternehmens. Um diese Zukunft zu 
gestalten, wurde Kleinfeld Anfang 2005 an die Spitze berufen. Die 
Erwartung, beim notwendigen Konzernumbau beherzter vorzugehen als 
sein allzu konsensorientierter Vorgänger, hat der Siemens-Chef 
erfüllt. Die Vorlage der Halbjahresbilanz am Donnerstag dürfte seine 
erfolgreiche Arbeit bestätigen. Wer sollte sie besser fortsetzen 
können als Kleinfeld selbst? Solange Kleinfelds Weste in der 
Korruptionsaffäre weiß bleibt, gibt es aus Sicht der Eigentümer 
keinen Grund für einen Wechsel.
(Börsen-Zeitung, 25.4.2007)

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