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Börsen-Zeitung: Konjunktureller Überschwang, Kommentar von Stephan Lorz zum überraschend kräftigen Aufschwung in Deutschland

Frankfurt (ots)

Die Wucht des deutschen Aufschwungs hat - wieder
einmal - die Ökonomen überrascht. Das erste Quartal ist mit einem 
Wachstumsplus von 0,5% viel besser ausgefallen, als erwartet worden 
war. Die bremsenden Kräfte der Mehrwertsteuererhöhung hielten zwar 
den Konsum etwas zurück, doch wurde das von der Dynamik in anderen 
Bereichen mehr als ausgeglichen. Inzwischen gibt es sogar Signale 
dafür, dass wegen der Besserung auf dem Arbeitsmarkt und der höheren 
Lohnabschlüsse auch die Verbraucher ihre Zurückhaltung aufgeben. 
Deutschland, so die optimistische Lesart der Wachstumsdaten, hat den 
Anschluss an die anderen Länder wieder gefunden und sogar die 
Funktion einer Wachstumslokomotive übernommen.
Viele Ökonomen haben mit dieser Entwicklung in den vergangenen 
Monaten nicht mehr gerechnet. In jahrelanger Beobachtung der 
deutschen Konjunktur zum Skeptiker geworden - immerhin hat die 
ökonomische Realität die schlimmsten Befürchtungen bisher meist 
übertroffen -, sehen sie sich nun gezwungen, alle paar Wochen ihre 
Prognosen nach oben zu revidieren - und werden übermütig.
Der aufkommende konjunkturellen Überschwang muss jedoch zur 
Vorsicht mahnen. Immerhin sind die jüngsten Entwicklungen in der 
Politik nicht dazu angetan, den Aufschwung zu stärken. HartzIV war 
gestern, heute wird um die Einführung von Mindestlöhnen gerungen, um 
mehr öffentliche Ausgaben gefeilscht und Zug um Zug das 
Gesundheitswesen verstaatlicht. Nicht nach vorne geht in Berlin der 
Blick, sondern zurück in die (schein)heile Welt eines 
Kuschelsozialismus, der sich gern hinter der Chiffre der "sozialen 
Verantwortung" verbirgt. Selbst die von der Wirtschaft sehnsüchtig 
erwarteten Reformwerke etwa im Steuersektor werden auf dem 
Koalitionsaltar so lange hin- und hergezerrt, bis man schon froh sein
muss, wenn der Status quo erhalten bleibt.
Ist das die Basis für einen nachhaltigen Aufschwung? Wohl kaum. In
Berlin wird vielmehr der Keim für den nächsten Abschwung gelegt, wenn
sich die Akteure nicht bald eines Besseren besinnen. Denn während die
Unternehmen ihre Hausaufgaben längst gemacht haben und damit 
überhaupt erst den Zündfunken für das heutige Wachstum geliefert 
haben, muss die Politik nun mit Reformen dafür sorgen, dass die 
Konjunkturflamme nicht ausgeht.
(Börsen-Zeitung, 16.5.2007)

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