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Weser-Kurier: Der "Weser-KUrier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 17. Mai 2011 die Sex-Affäre um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn:

Bremen (ots)

Eine Frage des Vertrauens

von Joerg Helge Wagner

Es erinnert an das Pfeifen ängstlicher Kinder im dunklen Wald: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble behauptet, was die Sex-Affäre um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn mit der Euro-Krise zu tun habe, "erschließt sich mir nicht". Das darf man dem alten Fuchs, der selbst durch das Fegefeuer politischer Affären gegangen ist, natürlich nicht abnehmen. Denn gerade die milliardenschweren Rettungspakete für die maroden Euro-Volkswirtschaften Portugal, Griechenland und Irland sind untrennbar mit Strauss-Kahn verbunden. Ebenso die Unterstützung der schwächelnden EU-Novizen Ungarn, Lettland und Rumänen durch den Internationalen Währungsfonds. Der französische Sozialist hat den marktliberalen Kurs des IWF korrigiert und zu günstigen Konditionen zig Milliarden an Krediten vergeben: Allein am Euro-Rettungsschirm ist die Sonderorganisation der UN zu einem Drittel beteiligt. Das passt vor allem den aufstrebenden Schwellenländern wie China, Indien, Mexiko oder Brasilien nicht. Deren Einlagen in die Weltrettungskasse sind ständig gestiegen - nun sehen sie nicht ein, dass die Mittel ausgerechnet dafür genutzt werden sollen, die vergleichsweise reiche Euro-Zone zu sanieren. Und sie fordern ungeduldig, dass der nächste IWF-Generaldirektor jemand aus ihren Reihen ist. Gut möglich also, dass Portugal als vorerst letzter Euro-Krisenstaat in den vollen Genuss der bisherigen IWF-Freigiebigkeit kommt. Die Affäre hat aber auch mittelbar negative politische Folgen, vor allem für Frankreich. Spitzenpolitiker aller Parteien dort betonen, dass nicht nur die Sozialistische Partei, sondern der internationale Ruf der ganzen Nation beschädigt seien. Das ist nicht bloß gallisches Pathos: Es wird nämlich keinen reibungslosen Automatismus geben, nach dem Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde unwidersprochen die Nachfolgerin von Strauss-Kahn wird. Sicher zum großen Bedauern von Schäuble, für den die von ihm hochgeschätzte Kollegin eine Idealbesetzung wäre, um das Rettungswerk an der europäischen Währungsunion zu vollenden. Und weil das alles eben doch sehr dramatisch ist, bemühen Spitzenpolitiker nun inflationär eine sperrige Vokabel: Unschuldsvermutung. Natürlich gilt die auch für Ihresgleichen - etwa für Monsieur Strauss-Kahn. Ob der DNA-Test in ein paar Tagen Klarheit bringt, ist ungewiss. Von der Tatzeit bis zur Festnahme gab es genug Gelegenheit, sich die Fingernägel zu schrubben. Und Kratzer kann es auch bei einvernehmlichem Sex geben. Was Strauss-Kahn neben zahlreichen Indizien wie das fluchtartige Verlassen des Hotels viel mehr belastet, ist der Ruf, der ihm voraus eilt. Genauer: der ihm nachhängt. In wenigstens zwei Fällen muss er sich Vorwürfen stellen, dass seine Galanterie in rücksichtslose Geilheit umschlug. Auch wenn das einige Jahre her ist: verjährt ist es nicht, nun schon gar nicht. Noch schwerer wiegt die Unbeirrbarkeit des mutmaßlichen jüngsten Opfers: Sie hat ihn eindeutig wiedererkannt. Auch die denkbaren Antworten auf folgende Frage können Strauss-Kahn belasten: Was muss vorgefallen sein, dass eine 32-jährige farbige Servicekraft, die in der Hotel-Hierarchie weit unten rangiert, beim Management den prominenten Gast in einer 3000-Dollar-Suite der versuchten Vergewaltigung beschuldigt? Immerhin so glaubwürdig, dass das Management sofort die Polizei rief und der Haftrichter gestern eine Kaution für Strauss-Kahn ablehnte. Dem steht eine wackelige Verschwörungstheorie gegenüber, die weder Indizien noch Drahtzieher nennen kann. Seit gestern wird zudem ein "Alibi" kolportiert, das aber den Haftrichter auch nicht überzeugen konnte. Wie immer am Ende die vollständige Wahrheit aussehen mag, Schäuble ist bereits jetzt in einem weiteren Punkt zu widersprechen: Die Diskussion über mögliche Nachfolger des IWF-Chefs ist nicht verfrüht, sie muss vielmehr rasch ein Ergebnis haben. Bei der Europäischen Zentralbank hat man das längst begriffen. Wer über das Wohl und Wehe ganzer Volkswirtschaften entscheiden kann, muss nicht nur für Zimmermädchen absolut vertrauenswürdig und über jeden Zweifel erhaben sein. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de

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