Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 16. Dezember 2011 Zustand und Perspektiven der FDP:
Bremen (ots)
Attacke statt Agonie
von Joerg Helge Wagner
So viel ist klar: Als Volksparteien-Imitat hat die FDP keine Zukunft - dieser Ansatz ist so überholt wie Boygroups in der Popmusik. Das Konzept des "netten Liberalismus" ist gescheitert. Das Wahlvolk will mit seinen Politikern nicht in den Urlaub fahren oder Partys feiern. Es erwartet klare Antworten auf schwierige Fragen und deutliche Aussagen, was einer Partei wichtig und was ihr weniger wichtig ist. Die Methode Merkel - der politischen Konkurrenz alle Themen klauen, mit denen diese punkten könnte - funktioniert für die FDP nicht. Schlimmer noch: Das ruiniert sie. Die Zukunft der Liberalen liegt darin, ihre Kernthemen zu einem eigenständigen, unverwechselbaren Programm aus einem Guss zu verschweißen. Als da wären: gerechtere Steuergesetze, weniger staatliche Bevormundung, Entbürokratisierung, Schuldenabbau, Freiheit der Wissenschaft, Schutz der Bürgerrechte und eine verantwortungsvolle Außenpolitik. Das ist ja alles miteinander vereinbar - und es ist genau das, was den deutschen Liberalismus seit zwei Jahrhunderten auszeichnet und ihn als demokratische Strömung auch unverzichtbar macht. Aber es reicht nicht, mit einem ausschließlich marktradikalen Kurs nur den frustrierten Wirtschaftsflügel der Union einzusammeln. Dadurch würde das sogenannte bürgerliche Lager unter dem Strich um keinen Prozentpunkt stärker - und der eigene linksliberale Flügel wäre auch noch verprellt. Wenn CSU-Generalsekretär Dobrindt rät, die FDP möge ihre liberalen Inhalte noch etwas schärfen, spricht daraus nicht Zynismus, sondern schlicht die Angst um den trotz aller Konflikte bestmöglichen Koalitionspartner. Nun hört man oft, dass die längst bürgerlich gewordenen Grünen bereits das Erbe des Liberalismus angetreten und somit die FDP überflüssig gemacht hätten. Der Liberalismus der Grünen erschöpft sich aber im Misstrauen gegen jegliche staatliche Datensammlung und darin, möglichst niemanden dieses Landes zu verweisen. Erfolgreich verkaufen sie sich so als "Bürgerrechtspartei". Ihr Vertrauen in den mündigen, selbstbestimmten Bürger indes endet spätestens an den Grenzen der nächsten Umweltzone. Wenn es um Volkserziehung geht, lassen sich die Grünen von Sozialisten und Konservativen so schnell nicht überbieten - mit Liberalismus jedoch hat das rein gar nichts zu tun. Diese Unterschiede kann die FDP gar nicht oft und klar genug herausstreichen. Hier muss sie attackieren, statt in Agonie zu verfallen. Rainer Brüderle kann das, Philipp Rösler offenkundig nicht. Patrick Döring muss es können - sonst wird aus diesem letzten Hoffnungsträger der Sargträger seiner Partei. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
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