Weser-Kurier: Kommentar zu den Plänen für eine europäische Ratingagentur
Bremen (ots)
Bekanntlich ist nicht immer alles, was im Grunde wünschenswert ist, auch tatsächlich sinnvoll. Das beste Beispiel dafür ist der Plan, eine europäische Ratingagentur aufzubauen. Als Gegengewicht und Korrektiv zu den Platzhirschen aus Amerika. Standard & Poor's, Moody's sowie Fitch beherrschen nämlich 90 Prozent des Marktes. Ihre Ratings sind quasi Gesetz. Ihre Bewertungen über Unternehmen, ja ganze Staaten, gleichen dem Daumen-Urteil römischer Cäsaren bei den Gladiatorenkämpfen im alten Rom. Um dieser Allmacht ein Ende zu setzen, sollte eine eigene Ratingagentur für Europa installiert werden. Doch nun scheint es an der im Gesamtzusammenhang der EU-Schuldenkrise lächerlichen Summe von 300 Millionen Euro Startkapital zu scheitern. Gut so! Denn das Geld wäre von Anfang an schlecht investiert gewesen. Das Urteil dieser Agentur wäre niemals glaubwürdig gewesen. Man würde ihrem Urteil immer unterstellen, ein Ergebnis politischen Einflusses der EU-Staaten zu sein. Ratings sind jedoch nur sinnvoll, wenn sie über jeden politischen Zweifel erhaben sind. Deshalb ist es gut, dass nach derzeitigem Stand nichts aus dem Vorhaben zu werden scheint. Viel besser wäre es nämlich, wenn die die bestehenden Mängel im Geschäftsmodell der großen Ratingagenturen beseitigt würden. Das fängt bei Kontrolle und Transparenz an. Die Finanzkrise hat ihren Ursprung ja darin, dass Moody's & Co. Wertpapiere mit Top-Ratings versehen hat, die sich anschließend als Schrott entpuppt haben. Möglich war das, weil sie an Produkten beteiligt waren, die sie selbst bewertet haben. Als ersten Schritt müssten Ratings und die Geschäfte mit Wertpapieren streng getrennt werden. Das kann die Politik per Gesetz vorschreiben. Die Politik kann sich zudem vom Einfluss der Agenturen lösen, indem sie ihre Bewertungen nicht mehr zum unbedingten Maßstab erklärt. Der Ex-Chef der EZB, Jean-Claude Trichet, hat es vorgemacht und trotz schlechter Ratings Anleihen von Euro-Krisenländern aufgekauft - und damit die Märkte beruhigt.
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