Weser-Kurier: Kommentar zur Neubelebung der Steuerdebatte
Bremen (ots)
Das Ärgernis für die Steuerzahler ist schnell beschrieben: Mehr brutto bedeutet oft weniger netto, weil Lohnerhöhungen weitgehend oder komplett wegbesteuert werden. Für den obersten Kassenwart der Nation dagegen sieht das ganz anders aus: 63 Milliarden Euro spülte die kalte Progression aufgrund der Lohnerhöhungen zwischen 2006 bis 2012 in die Staatskasse, hat das Institut für Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen errechnet, bezahlt vor allem von den Beziehern mittlerer Einkommen. Dem Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das dabei geholfen, trotz Schuldenbremse bisher nicht wirklich sparen zu müssen. Schäuble, das hat uns die zweijährige Steuerwirrwarr-Debatte von Schwarz-Gelb gezeigt, will die Steuerbürger auch nur ein bisschen entlasten, eine wirklich spürbare Korrektur der kalten Progression würde seine Finanzplanung über den Haufen werfen. Und weil die Länder noch mehr unter der Schuldenlast leiden, haben sie nicht mal Interesse an einer vergleichsweise milden Rückgabe von 6,1 Milliarden Euro. Und da hofft auch mancher CDU-Finanzminister auf die Härte der Kollegen von SPD und Grünen. Dennoch wird es am Ende eine Steuersenkung geben - durch die Hintertür. Der Finanzminister hat, um doch noch die Steuersenkungsversprechen der Koalition zu retten, tief in die Trickkiste gegriffen und jetzt Zahlen zum steuerfreien Existenzministerium vorgelegt, die er seriöserweise noch gar nicht haben kann. So hatte es in den vergangenen Wochen stets auch aus Kanzleramt und Finanzministerium geklungen. Mag sein, dass Schäubles Schätzungen im Herbst der Realität nahekommen und das steuerfreie Existenzminimum erhöht werden muss. Aber man muss kein Schelm sein, um Böses dabei zu denken, dass die Erhöhung gerade vor zwei wichtigen Landtagswahlen verkündet wird und just dem Betrag entspricht, der auch die kalte Progression abmildern sollte. Damit geraten Länder, SPD und Grüne freilich in Zugzwang, ihnen bleiben nur ein paar rhetorische Rückzugsgefechte. Ein höheres Existenzminimum können sie nicht ablehnen, also wird die Steuersenkung kommen. Den meisten Steuerzahlern ist damit freilich nicht wirklich geholfen. Denn Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen hätten mehr von einer Politik, die auf das Senken der Sozialabgaben setzt.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de
Original-Content von: Weser-Kurier, übermittelt durch news aktuell