Weser-Kurier: Kommentar zur neuen Ausbildungsoffensive
Bremen (ots)
"Mit dem Ausbildungplatzt verbinde ich sehr fiel Kraftaufwand, die sich Lohnt, und Ehrgeitz." Sicher, man weiß, worauf dieser Bewerber hinaus will. Aber kann oder mag oder muss man jemanden ausbilden, dem es schon an der Grundbildung gebricht? Diese Frage stellen sich viele Ausbilder, denn solche Bewerbungsschreiben sind keine Seltenheit. Ausbildungsjahr für Ausbildungsjahr beklagen Betriebe, dass das Bildungsniveau nur eine Richtung kennt: Es sinkt und sinkt und sinkt. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Mitarbeitern dagegen nimmt momentan auch nur eine Richtung: Sie steigt und steigt und steigt. Gegenläufig nennt man das. Oder auch: verheerend. Wenn der Deutsche Industrie- und Handelskammertag nach Wegen sucht, um Schulabgänger mit miesen Noten oder Schulabbrecher auszubilden, offenbart das, wie ungeheuer groß der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern ist: Früher wählten die Betriebe unter den Bewerbern die Besten aus. Heute können die Bewerber unter den Betrieben die Besten auswählen. Aber das Signal der Wirtschaft kommt auch einer Kapitulation gleich - der des deutschen Bildungssystems. Trotz diverser Warte- und Qualifizierungsschleifen, trotz sogenannter Bildungsketten und "Berufseinstiegsbegleitung" gelingt es oft nicht, junge Menschen so nachreifen zu lassen, dass sie die Schule mit guten Noten abschließen. Dass sie überhaupt ausbildungsfähig sind. Doch genau das dürfen Betriebe vom staatlichen, mit ihren Steuern finanzierten Bildungssystem erwarten. Eigentlich. Sie tun es vergebens. Dass Unternehmen nun staatliche Aufgaben übernehmen und schwachen Azubis eigene Förderprogramme angedeihen lassen wollen, ist ein Glücksfall und ein Skandal zugleich. Ein Glücksfall ist dieses Signal für alle Schulversager. Bekanntlich sind schlechte Schüler nicht unbedingt schlechte Auszubildende. Viele haben sicher eine Chance verdient. Einfach werden sie es nicht haben - nicht die Betriebe, nicht die Azubis. Denn die schulischen Versäumnisse sind oft fahrlässig groß. Ja, größer als ein führender Industriestaat es je zulassen durfte. Und das ist der Skandal.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de
Original-Content von: Weser-Kurier, übermittelt durch news aktuell