Weser-Kurier: Kommentar über Rentner, die arbeiten
Bremen (ots)
Sozialverbände und Wirtschaftslobby streiten: Wie sind die neuen Zahlen zu Rentnern, die arbeiten, denn nun zu verstehen? Als Beweis für zunehmende Altersarmut oder als Beleg für ein erfülltes Arbeitsleben? Beides natürlich. Aber diese Debatte ist ziemlich ermüdend. Die neuen Zahlen sind nämlich eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob das immer noch weit verbreitete Bild von älteren Menschen, vom Älterwerden allgemein, noch so stimmig ist. Der alte Herr mit Hut, der auf junge Leute schimpft, für den früher ohnehin alles besser war und der nur vor die Tür geht, um sich seine eigenen Vorurteile zu bestätigen, dieser alte Herr gehört wohl der Vergangenheit an. Fakt ist: Die Lebenserwartung nimmt stetig zu, ebenso die allgemeine gesundheitliche Konstitution und das Bildungsniveau. All das führt dazu, dass ältere Menschen sich nicht aus gesellschaftlicher Teilhabe verabschieden, im Gegenteil: Sie fordern mehr Teilhabe ein - und Arbeit ist eine ganz zentrale Form dieser Teilhabe, wie viele Arbeitslose leidvoll bestätigen werden. Wer im Leben steht, wer mitreden kann, wer im Rahmen seiner Möglichkeiten gefordert wird, der ist zufriedener und das wirkt sich auch positiv auf seine Gesundheit aus. Arbeit kann dazu einen Beitrag leisten. Deshalb wäre eine ganz andere Debatte als der Streit über Zahlen spannend: Welche Konsequenzen hat das für die Arbeitswelt, wenn immer mehr ältere Menschen arbeiten? Viele Branchen suchen bereits händeringend nach Fachkräften, viele Betriebe können auf die Älteren immer weniger verzichten. Diese Entwicklung wird sich nach allem, was wir heute prognostizieren können, noch erheblich zuspitzen. Darüber also lohnt eine Debatte. Darüber, wie man in Zukunft mit älteren Arbeitnehmern in den Betrieben umgehen will. Man wird noch flexibler werden müssen, man wird akzeptieren müssen, dass ältere Arbeitnehmer ganz andere Erwartungen haben als jüngere. Man wird ganz anders über Qualifizierung und Fortbildung nachdenken müssen, als es heute noch passiert. Und, ja, man wird Leistung anders definieren müssen. Diese Debatte wäre wirklich lohnenswert, da gibt es nämlich reichlich zu tun.
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