Weser-Kurier: Zur Bestandsdatenabfrage schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 21. Mai 2013:
Bremen (ots)
Wenn schon Unternehmen mit den persönlichen Daten von Handy- und Internetnutzern ihr Unwesen treiben, sollte man sich wenigstens darauf verlassen können, dass der Staat es mit dem Datenschutz genau nimmt. Dass man sich weitgehend frei im Internet bewegen und unbefangen telefonieren kann - ohne dass Behörden zurückverfolgen, wer hinter Telefonnummer und IP-Adresse steckt. Ob die Bürger Polizei- und Sicherheitsbehörden in diesem Punkt allzu viel Vertrauen entgegenbringen sollten, ist fraglich. Der Datenhunger ist in den vergangenen Jahren rapide gestiegen, und er könnte ungeahnte Ausmaße annehmen, wenn die Gesetzesänderung zur Bestandsdatenauskunft am 1. Juli in Kraft tritt. Nachdem Datenschützer im vergangenen Jahr vor dem Verfassungsgericht geklagt hatten, erteilte Karlsruhe der Politik eine klare Ansage: Die Richter forderten, dass die Regelungen zur Datenabfrage klarer formuliert und die Zugriffsrechte der Ermittlungsbehörden präzise definiert werden müssen. Diesen Auftrag scheinen die Politiker komplett vergessen zu haben, als sie die Gesetzesnovelle absegneten. Obwohl sie hartnäckig beteuerten, keine erweiterten Befugnisse für Polizei und Nachrichtendienste geschaffen zu haben. Statt Präzisierungen enthält der neue Gesetzestext bewusst schwammige Formulierungen, wie durch die Hintertür wurden neue Zugriffsmöglichkeiten geschaffen. Schon bei Ordnungswidrigkeiten dürfen Ermittler sich jetzt bei Telekommunikationsanbietern bedienen - Massenabfragen bei Providern inklusive. Vor allem aber haben es die Politiker versäumt, Polizei- und Sicherheitsbehörden dazu zu verpflichten, ihr Handeln transparent zu machen. Allein 2011 führten diese 34 Millionen Bestandsdatenabfragen durch. Über die zugrunde liegenden Delikte geben die Behörden keine Auskunft. Per Gesetz müssen sie bequemerweise keine Statistik darüber führen. Aber genau das wäre wichtig zu wissen, schließlich waren es vor allem schwere Straftaten, wie Terrorismus und Kinderpornografie, mit denen die Bestandsdatenauskunft oftmals gerechtfertigt wurde. Ist es wahrscheinlich, dass in einem Jahr so viele schwere Delikte verübt wurden, dass sie die 34 Millionen Datenabfragen erklären würden? Wohl kaum. Die neuen Gesetzesformulierungen erhellen nichts, sondern lassen den Bürger weiter im Dunkeln. Nur eines scheint sonnenklar: Wenn Behörden jetzt auch bei Bagatelldelikten die Telekommunikationsanbieter als verlängerten Arm missbrauchen dürfen, werden die Datenabfragen ins Unermessliche steigen.
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