Weser-Kurier: Zur Pädophiliedebatte schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 18. September 2013:
Bremen (ots)
Wenn hochrangige Politiker ohne grünes Parteibuch einen Fehler machen und ihn erst eingestehen, wenn die Öffentlichkeit bereits davon erfahren hat, dauert es meist nicht lange, bis jemand mit moralinsaurem Unterton den Rücktritt fordert: Jürgen Trittin. Die Liste derjenigen, die von ihm - teils zu Recht, teils zu Unrecht - auf diese Weise gescholten wurden, ist schier endlos. Aber wie so oft in derlei Fällen, ist der Umgang mit den eigenen Verfehlungen ein gänzlich anderer. Inzwischen ist der Grünen-Spitzenkandidat selbst verschuldet ins Zentrum der Pädophiliedebatte geraten. Und dort gibt er eine klägliche Figur ab. Als Göttinger Stadtratskandidat der "Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste" (AGIL) zeichnete er Anfang der 80er-Jahre persönlich für ein Wahlprogramm verantwortlich, in dem sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen weitgehend von strafrechtlichen Konsequenzen befreit werden sollten. Nicht nur für jemanden mit Trittins moralischer Fallhöhe ist das ein Totalschaden. Doch statt das einzusehen und der eigenen Partei in der heißen Wahlkampfphase weitere peinliche Diskussionen zu ersparen, druckst der sonst so wortgewandte Politiker herum: Er habe sich "diesem falschen Politikverständnis" nicht genügend entgegengestellt, obwohl er die Haltung damals "als problematisch" angesehen habe. Falsches Politikverständnis? Problematisch? Das klingt so, als ginge es um den Veggie-Day, dabei hat Trittin mit seiner Unterschrift faktisch die Legalisierung von Sex mit Kindern unterstützt. Als Privatmann mag man ihm das womöglich noch nachsehen, auch weil die Sache mittlerweile Jahre zurückliegt. Als einer der führenden Politiker dieses Landes ist der Grünen-Frontmann hingegen nicht mehr tragbar. Die hehren Ziele seiner Partei kann er nicht mehr glaubhaft vertreten. Darum sollte Trittin sich auf die Tugenden besinnen, die er sonst gerne mit Nachdruck von anderen einfordert. Dann erkennt er vielleicht, dass der Rücktritt der einzig anständige Ausweg für ihn ist.
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