Weser-Kurier: Kommentar von Andreas Kölling zum grauen Kapitalmarkt
Bremen (ots)
Halbnackte Chefs auf einer Betriebsfeier mit Striptease-Tänzerin auf dem Arm. Gut, sogar eine renommierte deutsche Versicherung veranstaltete schon Geschäftsparties im Budapester Rotlicht-Milieu, aber spätestens beim Auftauchen dieses klebrig-schlüpfrigen Fotos dämmerte es bestimmt auch dem letzten Prokon-Anleger, in welcher Grauzone er seine Ersparnisse versenkt hat. Von wegen nachhaltig, grün und sicher. Prokon ist das Paradebeispiel eines hochspekulativen Investments, mit dem vor allem ahnungslose, gutgläubige Kleinanleger reihenweise über den Tisch gezogen worden sind. Richtig, ein bisschen Gier war auch dabei - Gier unter einem grünen Mäntelchen. Hätte es seinerzeit funktionierende Finanzmarktwächter gegeben, dann wäre es sicher nicht ganz so leicht gewesen, an die 1,4 Milliarden Euro zu kommen. Mit marktschreierischen Plakaten in der U-Bahn und exorbitanten Renditeversprechen in TV-Spots vor der Tagesschau. Aber wie so oft, die Politik hinkt wieder mal hinterher. Viele Finanzexperten warnen seit Langem vor den Untiefen des grauen Kapitalmarktes, auf dem sich nahezu ungezügelt tummeln kann, wer will. Auf Anbieterseite genauso wie als Anleger. Sicherlich gibt es auch am Graumarkt seriöse Angebote. Aber der Anteil problematischer Produkte ist ungleich höher. Oder kaufen Sie etwa Edelsteine immer am Telefon? Der erste Versuch einer Regulierung aus dem Jahr 2012 kann getrost als gescheitert gelten. Ohne den Mitarbeitern der Gewerbeaufsichtsämter zu nahe treten zu wollen, mal im Ernst: Reisegewerbekarten ausstellen - ok. Aber halbseidene, höchst komplizierte Finanzprodukte von seriösen Anlageformen unterscheiden können? Wenn schon ein radikales Komplettverbot nicht durchsetzbar ist, dann wäre die Kontrolle des grauen Marktes doch tatsächlich besser bei der Finanzaufsicht Bafin aufgehoben. Dennoch, bei aller staatlichen Kontrolle, entscheiden müssen auch künftig die Anleger selbst. Eine Portion gesunder Menschenverstand kann dabei hilfreich sein.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de
Original-Content von: Weser-Kurier, übermittelt durch news aktuell