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Rheinische Post: Koch macht Fehler, und Merkel nutzt sie

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist im Wahlkampf Opfer der 
Mechanismen geworden, die er sonst so virtuos beherrscht: Sein 
Vorschlag, straffällig gewordene Kinder unter 14 Jahren in schweren 
Ausnahmefällen nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen, fiel im 
CDU-Präsidium glatt durch und wurde öffentlich von allen Seiten 
zerpflückt. Eine, ach was, ein Satz Ohrfeigen für Koch.
Der Haudegen aus Wiesbaden hat als Wahlkämpfer überzogen, obwohl er 
in der Sache von Praktikern aus Polizei und Justiz, die sich seit 
Jahren mit "Klau-Kids" und Kinderbanden herumschlagen, auch 
Zustimmung erfahren hat. Ausgerechnet Koch hatte jedoch erwartet, 
dass seine differenzierten Ausführungen auch differenziert diskutiert
würden  und das gut zwei Wochen vor dem hessischen Wahltermin. Für 
Roland Koch wirkt das ungewöhnlich naiv. Es könnte Ausdruck der 
Nervosität des Ministerpräsidenten und seiner Berater sein, da die 
Umfragen ihnen ein knappes Rennen verheißen. Oder aber es ist ein 
Signal für verfrühten Übermut im Koch-Lager, nachdem es gelungen war,
mit dem Thema der Jugendkriminalität, besonders unter jungen 
Ausländern, aus der Wahlkampfdefensive zu kommen.
Es ist aber auch bemerkenswert, wie die CDU-Bundesvorsitzende Angela 
Merkel die Demontage ihres Stellvertreters nicht nur zuließ, sondern 
gar beförderte. Die unverschleierte Rüge des CDU-Präsidiums für Kochs
Vorstoß schwächt den hessischen Ministerpräsidenten im Wahlkampf 
enorm und dient seinen Gegnern als Beleg für Kochs 
Regierungsunfähigkeit. Die Kanzlerin lässt sich so zur schärfsten 
Waffe der bislang Kochs Wahlkampfstrategie relativ hilflos 
gegenüberstehenden SPD machen.
Das scheint Merkel, die selbst kein Mittel gegen die 
SPD-Mindestlohn-Kampagne fand, wenig zu stören. Sie folgt eigenen 
Interessen. Wie immer? Brüskierte sie doch auch Baden-Württembergs 
Regierungschef Günther Oettinger nach dessen unseliger 
Filbinger-Gedenkrede, indem sie ihren telefonischen Rüffel für den 
Stuttgarter öffentlich machte. Friedrich Merz, Edmund Stoiber oder 
Jürgen Rüttgers könnten ähnliches berichten, wenn sie sich denn 
trauten.
Merkel ist immer zuerst Einzelkämpferin. Im aktuellen Fall geht es 
ihr um die Stabilität der Koalition  ihrer Koalition. Sie sah sie 
mehr durch den Unruheherd Koch als durch die wüsten Attacken der SPD 
auf ihren Parteifreund gefährdet. Mit ihrem Abrücken von Koch 
verhinderte Merkel ein nach den turbulenten Tagen der vergangenen 
Woche plötzlich doch möglich scheinendes Auseinanderbrechen ihres 
schon "die grobe Koalition" getauften Bündnisses.
Dafür ist Merkel sogar der Preis nicht zu hoch, dass Koch durch den 
erlittenen Gesichtsverlust möglicherweise wichtige Prozentpunkte in 
der Wählergunst einbüßen, die CDU am Ende gar Hessen verlieren 
könnte. Sie vertraut allerdings auch, flüstern die Eingeweihten in 
Berlin, auf interne Umfragen, die Kochs CDU gemeinsam mit der FDP 
immer noch eine sichere Mehrheit prognostizieren  "Kinderknäste" hin,
"Kinderknäste" her.
Nun ist die Demoskopie eine wacklige Plattform für Optimismus, doch 
Merkel ficht das nicht an. Sie sieht für sich wohl auch keine andere 
Wahl. Denn Merkel ist bei weitem nicht eine so starke Kanzlerin, wie 
es die Legenden-Schmieden im Kanzleramt oder in der Partei 
suggerieren. Weite Teile der Funktionärsebene der CDU wie die CSU als
Ganzes ordnen sich ihr immer noch nur widerwillig unter.
Merkels große Stärke ist weiterhin die Uneinigkeit der sich 
eifersüchtig belauernden Unions-Ministerpräsidenten  gerade war 
wieder gut zu beobachten, wie der Niedersachse Wulff die aktuelle 
Schwäche des Hessen Koch zur Profilierung als liberaler Wortführer 
der Partei nutzte. Die CDU-Vorsitzende teilt  und herrscht.
In ihrer Schwäche, die sie mit dieser Methode geschickt kaschiert, 
ist Merkel im übrigen ihrem SPD-Gegenpart Kurt Beck nicht unähnlich, 
der ebenfalls kein Interesse am Koalitionsbruch signalisierte. Beck 
wurde wie Merkel in einer Krisensituation eher zufällig 
Parteivorsitzender und wird von der eigenen Führungsspitze kritisch 
beäugt, obwohl niemand aufmuckt. Auch das hätte sich bei einem 
Platzen der Koalition rasch geändert.
Der gestrige Tag noch mal in der Zusammenfassung: Koch ist 
angeschlagen, aber er humpelt weiter. Für die große Koalition gilt 
das Gleiche.

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Rheinische Post
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Telefon: (0211) 505-2303

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