Rheinische Post: Erst Wortbruch, dann Dammbruch
Düsseldorf (ots)
Von Sven Gösmann
Man kann nicht viel Gutes über die kommunistische Politikerin Christel Wegner sagen, die die Linkspartei in den niedersächsischen Landtag entsandt hat. Doch immerhin verdanken wir ihr die Erkenntnis, wie in Kreisen der Linkspartei so gedacht wird: "Der Bau der Mauer war eine Maßnahme der DDR, um zu verhindern, dass Westdeutsche dort alles leer kaufen." Man wolle eine neue Gesellschaftsform errichten, dafür brauche man ein Organ wie die DDR-Staatssicherheit, um reaktionäre Kräfte abzuwehren. Der guten Ordnung halber: Nach öffentlichen Protesten wurde Frau Wegner von ihrer Fraktion ausgeschlossen. Der eigentliche Skandal ist jedoch, dass sie überhaupt aufgestellt wurde. Man kann auch nicht viel Gutes über Pit Metz, ehemals Spitzenkandidat der Linken in Hessen, sagen. Doch immerhin verdanken wir ihm die Erkenntnis, dass die Linke Leute aufstellt und nur zögerlich ablöst, die den DDR-Schießbefehl mit dem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan gleichsetzen. Die Linkspartei im Osten ist eine Regionalpartei der Ewiggestrigen aus SED und Stasi sowie DDR-Nostalgikern. Die Linkspartei im Westen ist eine Versammlung von Splittergrüpplern, aber keine politikfähige, demokratische Gruppierung. Um so unglaublicher wirken die Volten, mit denen SPD-Chef Kurt Beck seine Partei und ihre Wählerschaft für die Linke im Westen öffnen will. Koalitionen und Tolerierung seien zwar kein Thema, aber seine hessische Spitzenkandidatin Ypsilanti dürfe sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Beck dehnt damit sein Wort, dass es keine Zusammenarbeit mit der Linken geben werde, so lange, bis es bricht. Gleichzeitig leitet er den Dammbruch ein. Bisher stand Beck dafür, dass die SPD ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit den erwiesen demokratischen Kräften des Parlamentarismus setzt. Das gilt nicht mehr. Becks Schwenk kurz vor der Hamburg-Wahl ist logische Fortsetzung des Linkskurses, auf den er seine Partei schon länger geführt hat. Er denkt und handelt als Getriebener, fürchtet er doch das weitere Ausbluten der Sozialdemokratie. Im Osten liegt die SPD schon hinter der Linken, spätestens 2009 im Saarland gegen den Linke-Kandidaten Lafontaine könnte ihr das gleiche Schicksal drohen. Beck antwortet mit linkspopulistischem Gerede wie dem von den "neuen Asozialen", aber auch mit dem Erschließen neuer Optionen. Die von ihm unterschätzte Konsequenz der FDP, sich nicht als Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün herzugeben, hat ihn zermürbt. Gegen die auf der SPD-Funktionärsebene verhasste Aussicht auf weitere große Koalitionen, ob in Hessen, Hamburg oder 2009 im Bund, setzt er die rot-rot-grüne Annäherungs-Strategie. Ausgerechnet das Industrieland Hessen will er dafür zum Testgebiet machen. Und weiter? Einem Kanzlerkandidaten Beck könnte man nicht mehr trauen.
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