Rheinische Post: Kanzlerin im Wahlkampf Kommentar Von Martin Kessler
Düsseldorf (ots)
Sie kann also auch anders, die Kanzlerin der großen Koalition. Scharf wie nur selten hat Angela Merkel den Bündnispartner SPD attackiert. Vor den Kreisvorsitzenden ihrer Partei intonierte die Regierungschefin die bekannte Wahlkampf-Melodie der Union: Die Rezepte der Sozialdemokraten wie Mindestlohn, Einheitsschule und Steuererhöhungen taugten nicht zur Bewältigung der Krise. Damit spricht sie der CDU aus dem Herzen. Der Zeitpunkt der Attacke verwundert allerdings. Denn noch kurz vorher hieß es, der heiße Wahlkampf werde auf wenige Wochen vor dem Urnengang im September beschränkt. Bis dahin wolle die CDU verantwortungsvoll regieren. Einen monatelangen Wahlkampf dürfe es in der schwersten Wirtschaftskrise des Landes seit dem Ende des Krieges nicht geben. Das nährt den Verdacht, dass der Angriff nicht aus innerster Seele kommt. Er ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass die Wahlkampfmaschinerie der SPD in Fahrt kommt und ihr Kandidat Punkte im Abstand zur Amtsinhaberin gutmachen kann. Merkel muss sich entscheiden. Entweder sie nimmt schon jetzt den Kampf auf oder sie bleibt bei ihrer bisherigen Linie, für die es gute Gründe gibt. Fatal wäre es, wenn sie nach Stimmungslage zwischen der Rolle als Kanzlerin und als Parteichefin wechseln würde. Das schadet ihrer Glaubwürdigkeit.
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