Rheinische Post: Köhlers Pflichtsieg
Düsseldorf (ots)
Von Sven Gösmann
Die erste Schlacht im Superwahljahr ist geschlagen. Horst Köhler bleibt Bundespräsident. Mit der denkbar knappsten aller Mehrheiten siegte der Amtsinhaber im ersten Wahlgang. Zumindest eine Grüne hat sich dazu bekannt, Köhler ihre Stimme gegeben zu haben. Also müssen dem Präsidenten ein paar bürgerliche Stimmen abhanden gekommen sein. Das aber interessierte schon vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur noch Politstrategen. Denn da war die Botschaft von Köhlers Sieg längst von geschwätzigen Schriftführern und Wahlmännern und -frauen per SMS und Internet verbreitet worden. Das nahm dem Zeremoniell am 60. Gründungstag der Republik viel von seiner Würde, ganz zu schweigen vom Gehampel der Organisatoren, die verfrüht die Musikanten für die Nationalhymne und die Blumensträuße in den Saal befahlen - Signale dafür, dass es bei nur einem Wahlgang bleiben und somit der Sieger Köhler heißen musste. Diese (fahr-)lässige Art, mit einem der wenigen Hochämter unserer Demokratie umzugehen, war der Schlusspunkt eines wenig erfreulichen Wahlkampfs um den höchsten Posten im Staat. Gesine Schwan, die eigentlich respektable Gegenkandidatin, vergaloppierte sich in ihrem Wahlkampf früh, der Linken-Narr Peter Sodann wäre besser Hauptdarsteller im Kinderkanal geblieben (wo seine Rolle aus politischer Vorsicht gestrichen wurde). Und Horst Köhler, der im Volk wegen seiner Bodenständigkeit beliebte, in der Berufspolitik eher belächelte Präsident? Seine Wiederwahl dient - wie schon seine erste Wahl - vielerlei parteipolitischen Deutungen durch das bürgerliche Lager, das ihn trägt. Als ein Signal für Schwarz-Gelb nach der Bundestagswahl interpretierten Union und FDP, dass ihr Kandidat glatt durchging. Köhlers Wahl war aber schlicht ein Pflichtsieg. Bei dieser Ausgangslage mussten Union und FDP einfach gewinnen. Es war eine Durchgangsstation auf dem Weg zur Macht, mehr nicht. Die Sozialdemokraten wurden auf Distanz gehalten. Sie mussten die nicht gerade Selbstbewusstsein stiftende Erfahrung machen, dass es bei Rot-Grün Abweichler gab, mehr nicht. Seine zweite Amtszeit begann Köhler unglücklich, indem er in Fernseh-Interviews eine "ökologische Revolution" und die Direktwahl seines Nachfolgers verlangte, während er in der Bundesversammlung nur ein paar allgemeine Sätze zur Lage und eine rührende Liebeserklärung an seine Frau präsentierte. Dabei müsste der Bundespräsident in der Krise an Gewicht gewinnen: Als Finanzfachmann an der Spitze des Staates könnte er eine Chance sein. Köhler versteht aufgrund seiner Jahre beim Währungsfonds mehr von internationalen Finanzsystemen als alle Mitglieder der Bundesregierung. Er könnte Ratgeber, ja sogar ein Leuchtfeuer für die Demokratie werden. Damit würde er deutlich mehr Strahlkraft entwickeln als in seiner ersten Amtszeit.
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