Rheinische Post: Agenturen-Geister
Düsseldorf (ots)
Ein Kommentar von Thomas Reisener:
Mit ihrer Kritik an der Euro-Rettung bringen die Rating-Agenturen die Politik gegen sich auf. Die ist frustriert, weil die Märkte den Agenturen mehr als den Parlamenten vertrauen. Deshalb müssen Merkel & Co. die Euro-Rettung jetzt nicht nur gegen große Teile der Bevölkerung durchsetzen, sondern auch noch gegen einen Weltfinanzmarkt, der die Skepsis der Agenturen teilt, und von den kränkelnden EU-Staaten allen Rettungsschwüren zum Trotz weiterhin hohe Kreditzinsen verlangt. Der Streit um die Macht der Rating-Agenturen wird auf beiden Seiten scheinheilig geführt. Die Agenturen spielen ihre Macht herunter, indem sie ihre Urteile als bloße Meinungsäußerungen darstellen. Dabei wissen sie sehr genau, dass ihre "Meinungen" konkurrenzlos sind und deshalb in der Praxis die Kraft amtlicher Urteile haben. Die Politik wiederum ignoriert, dass sie selbst den Agenturen diese Macht gab, als sie Ratings zur verbindlichen Grundlage zahlloser amtlicher Entscheidungen gemacht hat. Viel zu spät reifte in Europa die Erkenntnis, dass die Macht der Agenturen kontrolliert und mit einer staatlichen Konkurrenz-Agentur relativiert werden muss. Dass die Politik die Geister jetzt nicht mehr los wird, die sie einst rief, ist nicht Schuld der Geister.
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