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Rheinische Post: Krise: Politische Führung gesucht

Düsseldorf (ots)

Ein Kommentar von Antje Höning:

Mit Bangen blickt die Welt heute auf die Öffnung der Börsen. Auf die schwärzeste Woche seit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank droht ein schwarzer Montag zu folgen. Das ist nicht nur für Anleger eine erschreckende Nachricht, sondern auch für Unternehmen, Bürger und Politik. Börsenkurse spiegeln bekanntlich die Erwartungen an die Zukunft. Die abstürzenden Kurse von heute könnten - selbst wenn man die üblichen Übertreibungen der Börse berücksichtigt - die Vorboten eines erneuten Absturzes der Realwirtschaft sein. Das ist so bitter, hatte sich doch die deutsche Wirtschaft gerade so gut aufgestellt und Vollbeschäftigung in Sicht. Die Weltwirtschaft befindet sich im konjunkturellen Sinkflug, wie er nach einem Boom normal ist. Und in diesen Sinkflug hinein kommt nun die Verschärfung der Schuldenkrise in Europa und das Desaster in den USA. Daran ist, entgegen dem beliebten Vorurteil, allerdings nicht Standard&Poor's schuld. Gewiss kann man über die Macht der Rating-Riesen streiten. Doch es war die Politik selbst, die die Agenturen mit dieser Macht ausstattete. Sie hat festgelegt, dass (Staats-)Anleihen mit Noten versehen werden und dass Banken und Versicherer ihr Anlageverhalten daran orientieren müssen. Standard&Poor's ist nicht der Verursacher der Krise, sondern nur der Überbringer der schlechten Nachricht. Und die lautet: Die USA gehen ihr Schuldenproblem nicht ernsthaft genug an, und das amerikanische Führungspersonal ist dem Ernst der Lage nicht gewachsen. Deshalb werden die USA zwar jetzt nicht zahlungsunfähig - die Heimat von Apple und Microsoft ist nicht Griechenland. Doch wenn im Jahr 2008 schon die Pleite einer einzelnen US-Bank die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen konnte, was vermag dann erst die Krise der größten Volkswirtschaft der Welt bewirken? Zumal Europa als gestaltende Kraft ausfällt. Eineinhalb Jahre hat die EU an der Rettung Griechenlands laboriert. Auch deshalb ist die Krise von Athen zu einer Krise der Euro-Zone geworden. Statt eine Insolvenzordnung für Staaten und einen überzeugenden Rettungsschirm (scharfe Auflagen, genug Geld) aufzuspannen, setzen die Regierungschefs, allen voran die zögerliche Kanzlerin, auf eine Politik der Trippelschritte. Am Wochenende ist die Bundesregierung gar auf Tauchstation gegangen. Sie lässt nur ihren Finanzpolitiker nach der Europäischen Zentralbank (EZB) rufen. Diese möge bitte rasch die Anleihen von Italien aufkaufen, da Europa dessen Pleite nicht auffangen könne. Die Bundesregierung scheint zu vergessen, dass die EZB unabhängig ist, nur die Stabilität des Geldes sichern soll und dass der Kauf von Ramschpapieren schon bei Griechenland nicht funktioniert hat. Immerhin kämpft Bundesbank-Chef Jens Weidmann tapfer gegen den Druck aus Berlin. Jetzt muss er beweisen, wie unabhängig er von seiner früheren Chefin Merkel ist.

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