Rheinische Post: Erdogan zündelt
Düsseldorf (ots)
Noch vor kurzem galt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wohlmeinenden Beobachtern in Europa als ein wichtiger Vermittler im Atom-Streit mit dem Iran und auch im Nahostkonflikt. Sein Land wurde als mögliches Vorbild für die Entwicklung islamischer Demokratien in der arabischen Welt gepriesen. Doch rechtzeitig vor seiner gestern begonnenen Reise in die Region hat sich Erdogan neu positioniert: als Held der arabischen Massen. Die werden ihm zujubeln, weil er den israelischen Botschafter aus dem Land geworfen hat und eine Aufhebung der Gaza-Blockade fordert. Das Kalkül ist einfach: Die in der arabischen Welt (wie auch in der Türkei) populäre Konfrontation mit Israel soll die Türkei als regionale Vormacht etablieren. Die Türkei hat in den vergangenen Jahren viel erreicht mit geschmeidiger Diplomatie. Dass sie nun auf Aggressivität setzt, zu der auch militärische Drohgebärden gegenüber dem EU-Mitglied Zypern gehören, ist ein schwerer Fehler. Und verantwortungslos obendrein. Wer wie Erdogan zündelt, verspielt Vertrauen und weckt irgendwann auch alte Ängste. In der arabischen Welt mag Israel verhasst sein; aber man hat auch nicht vergessen, wie sich die Osmanen einst als Kolonialmacht aufgeführt haben.
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