Rheinische Post: Energie-Kassandra Kommentar Von Thomas Reisener
Düsseldorf (ots)
Langsam rächt sich die Naivität, mit der die Energiedebatte seit Jahrzehnten geführt wird. Naiv ist sie deshalb, weil sie bis heute eine reine "Dagegen"-Debatte ist. Gegen Atomkraft, gegen Kohlekraftwerke, gegen die Verspargelung der Landschaft durch Windräder, gegen höhere Strompreise, gegen Hochspannungsleitungen. Aber für irgendwas muss man sein. Sonst gibt es keinen Strom. Der neue Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ist nicht naiv. Wenn er jetzt Zweifel an der Machbarkeit der Energiewende äußert, ist das ehrlich und klug. Ehrlich, weil Altmaier erkannt hat, dass die Naivität der deutschen Energiedebatte auf die geplante Energiewende abgefärbt hat. Auch sie verspricht besseren Strom zu billigeren Preisen. Und setzt dabei auf einen technischen Fortschritt, der im dafür notwendigen Umfang noch gar nicht absehbar ist. Es war höchste Zeit, dass ein Mitglied der Bundesregierung auf dieses Risiko hinweist. Klug ist der neue Umweltminister zudem, weil er die Chancen der Kassandra-Rolle erkennt. Indem er seinen Warnschuss schon nach gut 50 Tagen im Amt setzt, vermeidet er, dass er haftbar gemacht wird, wenn die Energiewende eines Tages an ihren vielleicht zu ambitionierten Zielen scheitert.
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