Rheinische Post: Professorin in Not Kommentar Von Michael Bröcker
Düsseldorf (ots)
In den nächsten Tagen entscheidet sich die Karriere einer außergewöhnlichen Politikerin. Seriös, unaufgeregt und mit einer sympathischen Abscheu vor Inszenierungen hat sich Annette Schavan vom Vorsitz der Jungen Union in Neuss bis zur Bundesministerin und Kanzlerin-Vertrauten hochgearbeitet. Als redlich wird die überzeugte Katholikin beschrieben. Dass ausgerechnet sie in einer Doktorarbeit über das "Gewissen" vorsätzlich getäuscht haben soll, ist schwer vorstellbar. Der Leiter des Promotionsausschusses der Universität stellt nun ungewöhnlich deutlich diese Täuschungsabsicht fest. Die Ausschussmitglieder werden dies kaum ignorieren. Und doch finden sich in mehr als 800 Fußnoten der Dissertation nur wenige Stellen, an denen Schavan eine Originalquelle zitiert, ohne diese überhaupt zu nennen. Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf Schlampereien und Ungenauigkeiten. Der Düsseldorfer Gutachter war zum Zeitpunkt der Dissertation 22 Jahre alt. Was weiß er über die damalige Arbeitsweise? Können heutige Maßstäbe eins zu eins angelegt werden? Zweifel sind angebracht, Sorgfalt ist geboten. Die Aberkennung des Doktortitels wäre Schavans Aus als Ministerin und als Honorarprofessorin. Ein solches Urteil sollte gut begründet sein.
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