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Rheinische Post: Hoffnungen eines Bürgerlichen = Von Sven Gösmann

Düsseldorf (ots)

Ich habe aufgehört zu zählen, der wievielte "Koalitionsausschuss" oder "Krisengipfel" im Bundeskanzleramt stattfindet. Die Bilder ähneln sich: Dunkle Limousinen fahren vor, Mikrofonhälse recken sich den Röslers und Seehofers entgegen. Diese berichten spätabends von "Fortschritten" und "Einigung". Doch am nächsten Morgen streiten sie schon wieder. Das war es nicht, was sich Millionen Wähler 2009 erhofften. Die christlich-liberale Koalition sollte die fällige Modernisierung der Gesellschaft vorantreiben. Die Themen hießen wirtschaftliche Stabilität, niedrigere und gerechtere Steuern, Energiesicherheit oder Bildungsbewahrung. Ein Hauch von Freiheit umwehte den unmöglichen Wahlsieg, hatten die Demoskopen für unsere Gesellschaft der Transferleistungsempfänger doch auf ewig linke Mehrheiten vorhergesagt. Die Erwartungshaltung ging sogar weiter. Bürgerlich - mit diesem Attribut schmückten sich Union und FDP in Abgrenzung zur Linken. Doch die Werte, die den Begriff des Bürgerlichen ausmachen, füllen viele Koalitionäre nicht mit Leben. "Gurkentruppe" und "Wildsau" gehören bis heute zu ihrem Wortschatz. Das Protzige des Westerwellschen Anfangs und das präpotente Gehabe Anderer taten ihr verheerendes Übriges. Dies war Gift für die Akzeptanz dieser Koalition, die sich ohnehin nie medialer Gunst erfreuen konnte, bekennt sich nach einer aktuellen Studie doch deutlich mehr als die Hälfte der deutschen Journalisten zu Grün und Rot. Ihnen lieferten die Koalitionäre die Bestätigung im Wochentakt. So kommt es, dass Schwarz-Gelb wie ein Bündnis ohne Zukunft aussieht. Lautes Gezänk im symbolpolitischen Bereich (Frauenquote, Betreuungsgeld, Praxisgebühr) vernebelt jeden Blick auf die ganz ordentliche Bilanz der Regierung: Das taktische Geschick der Kanzlerin, das vor allem aus der ihr immanenten Zögerlichkeit resultiert, bewirkt international Stabilität, national wenigstens stabilen Stillstand. Deutschland hat nahezu Vollbeschäftigung. Die große Krise wird immer erwartet, kommt aber nie. Trotzdem erntet man im bürgerlichen Lager nur noch Achselzucken, spricht man über Schwarz-Gelb. Die Gedanken beschäftigen sich mit neuen Optionen. Immer wieder ist da Schwarz-Grün mit den verbürgerlichten Kuhn-und-Kretschmann-Ökos. Viele erinnern mittlerweile an die Große Koalition, die sie vor drei Jahren nicht schnell genug loswerden konnten. Die sieche FDP liebäugelt mit der Steinbrück-Ampel mit SPD und Grünen. Jede dieser Optionen wäre wohl ein fälliger Neuanfang. Hoffnungen würden ihn diesmal allerdings kaum begleiten.

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