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Rheinische Post: Politiker müssen bei den Hochwasseropfern sein = Von Martin Kessler

Düsseldorf (ots)

Die Bilder gleichen sich: Gerhard Schröder in Gummistiefeln bei Hochwasseropfern 2002, Angela Merkel in festen Wanderschuhen bei den Betroffenen der Katastrophe 2013. Und gleich wird unterstellt, dass vor allem der Wahlkampf die hektischen Reiseaktivitäten dirigiert. Das mag sein. Aber wäre es vorstellbar, dass der Kanzler oder die Kanzlerin in der Stunde der Not nicht bei ihren verzweifelten Bürgern weilen und Anteilnahme zeigen? Natürlich kommen die Bilder den Wahlkämpfern zupass. Doch was hindert die Herausforderer, ebenfalls in die Notstandsgebiete zu fahren? Auch der französische Präsidentschaftskandidat Hollande ließ sich sofort an der Stelle des schlimmen Terrorangriffs auf eine jüdische Schule in Toulouse sehen - nur einige Stunden nach dem amtierenden Präsidenten Sarkozy. Das wirkte zwar gekünstelt. Doch hätte er fernbleiben sollen? Steinbrück würde deshalb einen großen Fehler machen, wenn er auf einen Besuch in Bayern oder Sachsen verzichtet, nur weil die Kanzlerin schon dort war. Politik lebt von Symbolen. Bei jedem schlimmen Unglück oder Terroranschlag sprechen Regierungsvertreter ihre Betroffenheit aus. Dass es zu häufig vorkommt und fast zur Routine wird, kann man nicht den Politikern anlasten. Es ist ein Teil ihrer Jobbeschreibung. Und in wirklich gravierenden Fällen erwarten die Opfer, dass ihre gewählten Vertreter sich vor Ort zeigen und sich persönlich ein Bild von den Verhältnissen machen. Es gibt freilich Grenzen bei Reisen in Katastrophengebiete. Der Besuch vor Ort darf nicht zum Polit-Zirkus ausarten, in dem sich der Regierungschef als Krisenmanager inszeniert. Doch davon waren sowohl Schröder als auch Merkel weit entfernt. Beide fanden die richtigen Worte für die Betroffenen und machten Mut. In Diktaturen lassen sich die Herrscher selten bei Unglücken sehen, da sie laut staatlicher Propaganda eigentlich gar nicht eintreten. Insofern ist der Besuch vor Ort sogar ein Akt demokratischer Demut vor dem Leid der betroffenen Bürger. Ob die Fahrt in die Katastrophengebiete nur der Inszenierung dient, zeigt sich auch in der Nachbereitung des Unglücks. Wenn Betroffene auf zugesagte Hilfen warten, Versprechungen nicht eingelöst werden oder das Interesse schlagartig nachlässt, wird politische Betroffenheit zur Mogelpackung. Aber gerade hier sind Wähler besonders empfindlich. Wer in solchen Fragen praktischer Politik versagt, verliert sofort die Unterstützung, selbst wenn er an anderer Stelle gute Arbeit leistet. Man kann sogar umgekehrt sagen, dass nicht wenige erst in Ausnahmesituationen die Eignung für ihr Amt nachgewiesen haben.

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