Rheinische Post: Schwarz-grüne Option gibt Merkel Sicherheit Kommentar Von Martin Kessler
Düsseldorf (ots)
Die Bilder sind zwar etwas verblasst, sie bleiben aber im historischen Gedächtnis. Als der hessische Ministerpräsident und Grünen-Hasser Holger Börner und Joschka Fischer in der ersten rot-grünen Landesregierung vereidigt wurden, stand das Land Kopf. 13 Jahre später bildeten Gerhard Schröder und derselbe Fischer die erste rot-grüne Bundesregierung. In gleicher Weise historisch ist das erste Zusammengehen von Schwarz und Grün in Hessen. Mit der Rückendeckung der CDU-Vorsitzenden Merkel arbeitete sich Hessens Ministerpräsident und einstiger Grünen-Hasser Volker Bouffier geschickt an die Koalition mit der Öko-Partei heran. Sie ist mehr als nur das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenland, noch dazu in einem, in dem die politischen Gräben zwischen rechts (Union, FDP) und links (SPD, Grüne) traditionell besonders tief sind. Die schwarz-grüne Option ist vor allem auf Bundesebene ein herausragender strategischer Vorteil für beide Parteien - die Union und die Grünen. Denn sie überwindet das Lagerdenken, das von 1982 bis 2005 die Bundesrepublik prägte und nur durch die Große Koalition von 2005 bis 2009 unterbrochen wurde. Beide Parteien - die Union wie die Grünen - befreien sich aus der babylonischen Gefangenschaft ihrer bisherigen Bündnispartner. Die CDU tut es erst, seit ihr einstiger Wunschpartner FDP nicht mehr im Bundestag sitzt und sie ausschließlich auf die große Koalition angewiesen schien. Die Grünen müssen nicht mehr unbedingt das Risiko eines Dreierbündnisses mit SPD und der ungeliebten Linkspartei eingehen, wollen sie in die Regierung gelangen. CDU-Chefin Merkel wiederum profitiert in doppelter Weise vom hessischen Schwenk. Sie kann 2017 ihre Kanzlerschaft noch einmal verlängern, wenn sie will. Und - viel wichtiger - sie schafft sich für ihre künftige große Koalition eine Rückversicherung. Denn es dürfte ihr klar sein, dass der finale Zweck der großen Koalition für die SPD darin besteht, dieses Bündnis so schnell wie möglich zu überwinden und selbst den Kanzler zu stellen. Rein rechnerisch ist nämlich eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag vorhanden. Mit der Virtuosität eines Bismarck hat Merkel ihrem künftigen Partner Sigmar Gabriel dieses Kalkül zunächst einmal verbaut. Die von der CDU als Affront empfundene Öffnung der SPD zu den Linken, mit der Gabriel auf dem Parteitag hoffte, die Union zu isolieren, hat sie mit der schwarz-grünen Option in Hessen meisterhaft gekontert. Ihr Wahlsieg vom 22. September kommt erst damit richtig zur Geltung.
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