Rheinische Post: Im Namen des Herrn Leitartikel von Horst Thoren
Düsseldorf (ots)
Was Glaubens-Gemeinschaft bedeuten kann, zeigen uns in diesen Tagen Hunderttausende junger Menschen aus aller Welt. Sie feiern Gott auf offener Straße, in großen Arenen und bald mit dem Papst auf freiem Feld. Der Ruf zum Weltjugendtag am Rhein, von Johannes Paul II. vor drei Jahren ausgesandt, ist angekommen. Wer noch beim bewegenden Abschied von diesem Jahrhundertpapst im April mutmaßte, die schier endlosen Menschenmassen am Vatikan seien weniger Glaubenssache als Pop-Event gewesen, muss sich jetzt eines Besseren belehren lassen: Im Namen Jesu füllen sich ganze Stadien. Vorbetende Kardinäle werden zu Moderatoren einer Inszenierung, deren Rituale antik sind, deren Kraft und Freude spendende Botschaft aber nie frischer daherkam. Trotz oder gerade wegen des Weihrauchs und der purpurgewandeten Kirchenfürsten. Schon die Fröhlichkeit der jungen Pilger ist ansteckend, das Erleben von Gemeinschaft bestimmt eindrucksvoll das Bild. Doch es wird auch inbrünstig gebetet und andächtig zugehört. Gerade bei ernsten Worten, wie sie Kardinal Karl Lehmann in Düsseldorf fand. Und anders als die altvertrauten Kirchgänger, scheuen sich die Junggläubigen nicht, ihre Freude, ihre Zustimmung, ihre Nachdenklichkeit offen kundzutun. Mit Beifall, mit Schunkeln aber auch in gespannt fragender Stille. So, als Kardinal Lehmann indirekt von der Ökumene sprach. Sein Bedauern, evangelische Christen nicht, noch nicht zum Abendmahl einladen zu können, löste spontanen Beifall aus. Die jugendlichen Pilger haben in kürzester Zeit das Rheinland verwandelt. Denn sie leben ihr Glaubensbekenntnis in bemerkenswerter Offenheit aus. Sie haben keine Scheu, aufeinander zuzugehen, sich irgendwo auf den Boden zu setzen und zu beten. Welcher erwachsene Christ hat hierzulande den Mut, im Restaurant das Kreuzzeichen zu machen, bevor er die Suppe löffelt? Die da gekommen sind, tragen auch nicht alle den Katechismus im Pilgerrucksack mit sich herum. Aber sie haben Vorbilder im Himmel und auf Erden, zu denen sie sich leidenschaftlich bekennen. Auf den neuen Papst Benedikt XVI. freuen sich die Wallfahrer unbändig. Schon bei Erwähnung des Namens kommt Jubel auf. Dabei wissen die jungen Christen genau, dass dieser heilige Vater noch als Kardinal maßgeblich an Regelwerken zu Ethik und Sexualmoral mitgewirkt hat, die mit dem oft unbefangenen Umgang der Jugend mit Liebe und Partnerschaft wenig zu tun haben. Doch belegen aktuelle Umfragen, dass sich immer mehr junge Menschen nach Treue und Geborgenheit sehnen. Und gegen allzu viel Engherzigkeit hilft die im rheinischen Gastland wie ein "Elftes Gebot" von jeher hochgehaltene Auffassung, man dürfe nicht päpstlicher sein als der Papst...
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