Rheinische Post: Warum wir wählen
Düsseldorf (ots)
Von Sven Gösmann
Ein seltsamer Wahlkampf geht zu Ende. Der Regierungschef gebärdete sich wie ein Oppositionsführer, seine Herausforderin musste ihr Reformprogramm verteidigen, als wäre es Regierungspolitik. Zeit, sich ein paar Dinge in Erinnerung zu rufen. Warum wählen wir an diesem Sonntag? Gerhard Schröder hat diese Wahl herbeigeführt. Er hat keine Mehrheit mehr für seine Politik - in seiner Partei nicht, im Volk erst recht nicht. Zu düster sieht seine Bilanz für Deutschland aus: fünf Millionen Arbeitslose, Rekordschulden, Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa. Schlimmer noch wiegt die Ideenlosigkeit, die das verbrauchte rot-grüne Bündnis ausstrahlt. Denn aus ihr wächst jene Hoffnungslosigkeit, die Mut und Zuversicht in der Bevölkerung schon zu lange lähmt. Das Urteil über seine Amtszeit hat Schröder deshalb einst selbst gesprochen: "Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, dann sind wir es nicht wert, wiedergewählt zu werden." Trotzdem hat der gescheiterte Kanzler zuletzt kein Wort so inflationär im Mund geführt wie Vertrauen. Das war zumindest kühn. Hat er doch dieses Vertrauen spätestens verspielt, als er am 1. Juli seinen Sturz einleitete und die Geschichte um eine Absurdität bereicherte: Die Roten und Grünen, die ihm im Bundestag die Gefolgschaft verweigerten, werben jetzt in Stadt und Land für seine Wiederwahl - wohlwissend, dass, wer Schröder wählt, ganz andere bekommt. Wen, da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: von Wowereit bis Gysi. Zeit, sich an diese Umstände zu erinnern. Und Zeit, sich das Notwendige zu vergegenwärtigen: Deutschland leidet unter Auszehrung. Aber das Land besitzt eine starke Substanz. Rot-Grün hat eine Reihe von Einzelmaßnahmen zur Reform des Arbeitsmarkts auf den Weg gebracht. Das bleibt ein Verdienst. Eine Strategie gegen den Abstieg des Landes hatte die Regierung Schröder jedoch nie. Gegen die Krise aber hilft nur ein entschlossener und ehrlicher Reformkurs. Dann kehrt auch das Vertrauen der Menschen in die Politik zurück. Ab dem 18. September, 18 Uhr.
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