Rheinische Post: Kanzler-Popanz
Düsseldorf (ots)
Von Margarete van Ackeren
Dass ein aktiver Kanzler seiner Partei große Dienste erweisen kann, ist ein Gemeinplatz. Wie wertvoll aber ein Regierungschef als bloßes Faustpfand seiner Partei sein kann, zeigt sich gerade am Beispiel Gerhard Schröders der Kanzler-Popanz als Verhandlungsmasse für die große Koalition. Ob dieses Schauspiel das Ansehen der Politiker insgesamt verbessert, steht auf einem anderen Blatt. Schröders Verzicht aufs Kanzleramt ist bisher nur ein Gedankenspiel im Konjunktiv, das zu seiner persönlichen Ehrenrettung taugen soll. Die SPD nutzt Schröder nach wie vor als Druckmittel, um den Preis in Verhandlungen zur großen Koalition hoch zu treiben. Als Brioni-Kanzler gestartet, als Melissen-Geist-Kanzler vollendet: Nie war er so wertvoll wie heute. Die durchschaubare Inszenierung ist für die Union tückisch. Je länger sie dauert, desto mehr könnte sich der Eindruck erhärten, beide Schröder und Merkel gehörten zur parteiübergreifenden Pattex-Fraktion. Die SPD täuscht eine Symmetrie vor, die es natürlich nicht gibt. Denn anders als Schröder kann sich Merkel auf das Wahlergebnis berufen, wenn sie den Anspruch aufs Kanzleramt erhebt. Um ihn dann auch durchzusetzen, ist allerdings zähe Beharrlichkeit ein tauglicheres Mittel als aggressiver Druck.
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