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Rheinische Post: Unwürdiges Urteil

Düsseldorf (ots)

Leitartikel von Thomas Wels
Auf diese Entscheidung des Berliner Sozialgerichtes hat 
Deutschland gewartet: Ein Tariflohn von weniger als 5,93 Euro in der 
Stunde verstößt gegen die Menschenwürde. Ein bemerkenswertes Urteil. 
Dies nicht so sehr, weil sich die Frage aufdrängt, ob bei 4,95 Euro 
die Menschwürde gewahrt bliebe, sondern weil die Sozialrichter 
überhaupt mit Menschenwürde argumentieren. Mehr noch: Ein solches 
Gehalt verstoße gegen das Grundrecht auf die freie Entfaltung der 
Persönlichkeit.
Den Sozialrichtern ist zu danken. Die Pervertierung des 
Sozialstaatmodells hätte kaum besser dokumentiert werden können. Es 
geht nicht mehr darum, dass die Solidargemeinschaft für die 
Bedürftigen einsteht, es geht darum, dass die Solidargemeinschaft ein
Mindestauskommen garantiert. Weniger zu verdienen, sei eines Menschen
unwürdig, deshalb könne der auf Kosten der Gemeinschaft zu Hause 
bleiben. Ein solches Urteil ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die
sich ihrer Würde wegen nicht in die Abhängigkeit des Staates begeben,
die lieber für fünf Euro putzen gehen als aufs Sozialamt. Diese 
Menschen dachten, es ginge um ihre Freiheit, ihr Selbstwertgefühl, 
die Verantwortung für sich selbst. Das Urteil weist den Weg in die 
Abhängigkeit und ist deshalb deutscher Richter unwürdig.

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