Rheinische Post: Lügen - um der Macht willen
Düsseldorf (ots)
Von Doris Heimann
Politiker gelten überall in der Welt als zynische Kaste. Doch die Unverfrorenheit von Ungarns Regierungschef Ferenc Gyurcsany ist in demokratischen Ländern ohne Beispiel. Kurz nach der gewonnenen Wahl bekennt der Premier vor seiner Partei, man habe vier Jahre lang nichts getan und zwei Jahre lang gelogen. Weil es einfach so ein gutes Gefühl sei, an der Macht zu sein - und man die Wahlen trotz leerer Kassen wieder habe gewinnen wollen. Seitdem kennt Volkes Zorn keine Grenzen. Ungarn erlebt derzeit die schlimmsten Unruhen seit 1984. Damals, vor der Wende, rebellierten kubanische Arbeiter. Heute sind es die mündigen Bürger eines EU-Landes, die sich von ihren Politikern verschaukelt fühlen. Gyurcsany aber bleibt seiner Linie treu: Lügen in der Politik seien kein Grund zum Rücktritt. Deutlicher kann man es nicht machen: Das Volk ist nur das Stimmvieh, das belogen werden will. Leider ist das nicht nur in Ungarn so. In ganz Osteuropa ist seit der Wende eine neue Politikergeneration an die Macht gekommen. Den Ex-Dissidenten und Freiheitsenthusiasten folgten Jüngere. Ihre Ziele sind weniger edel. Längst haben sie erkannt, dass sich das demokratische System dazu ausnutzen lässt, an die staatlichen Futtertröge zu kommen. Die Wut der Ungarn ist verständlich. Unverständlich bleibt, warum ihr Premier nicht endlich zurücktritt.
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