Rheinische Post: Kevin - Mahnung an alle
Düsseldorf (ots)
Von Margarete van Ackeren
Wenn Bürger ganz und gar hilflos sind, schreien sie nach dem Gesetzgeber. Und wenn die Politiker wiederum völlig hilflos sind, preschen sie eilig mit Gesetzes-Vorschlägen vor. Solche Reflexe sind offenbar Teil der Verarbeitung, wenn Unfassbares geschehen ist. Angesichts des makabren Schicksals des kleinen Kevin ist die Ratlosigkeit geradezu unermesslich. Denn alle, die jetzt nach Konzepten suchen, wie man den Tod des Jungen hätte vermeiden können, ahnen: Die Frage der Schuld ist mit Hinweisen auf den kranken, drogensüchtiger Vater oder möglicherweise nachlässige Amtsträger nicht erschöpfend beantwortet. Die Anregung der Bundesfamilienministerin, Kinderrechte in der Verfassung zu verankern, ist da nur ein weiterer rührender Vorschlag in der langen Dokumentation der Hilflosigkeit. Der Buchstabe des Grundgesetzes ändert nichts am brutalen Alltag vieler Kinder. Das weiß natürlich auch Ursula von der Leyen. Die Umstände des Todes des kleinen Jungen sagen eine Menge über eine verrohte Gesellschaft, in der Toleranz gegenüber den Nachbarn oft zur Gleichgültigkeit geworden ist und Menschen mit massiven psychischen Probleme zu Helden des Nachmittags-Fernsehens stilisiert werden. Kevin ist keine bloße Anklage gegen Behörden oder Amtsträger, sondern gegen alle. Uns alle.
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