Rheinische Post: Türkei-Krise
Düsseldorf (ots)
Von Godehard Uhlemann
Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat sich gestern an seine Landsleute gewandt und in einer vor Tagen aufgezeichneten Rede Einheit und Ruhe gefordert. Die Ansprache ändert nichts an der schweren innenpolitischen Krise. Schon früher hatte der Islamist betont, er bekenne sich zu der von Republikgründer Atatürk verordneten Trennung von Religion und Staat. Schöne Worte, doch sie halten der Wirklichkeit nicht stand. Erdogan betrieb die Annäherung an die EU, er leitete Reformen ein und betrieb gleichzeitig im Windschatten der Außenpolitik eine Hinwendung zum Islam. Damit hat er die riskante Machtprobe mit den Militärs provoziert, die durch Neuwahlen zu entschärfen, aber schwer zu lösen ist. Die anstehende Präsidentenwahl ist zum Testfall für die Demokratie geworden. Die türkische Gesellschaft ist tief gespalten. Die einen sehen die Demokratie durch die unverhohlene Drohung der Militärs in Gefahr, die Trennung von Staat und Religion notfalls mit Gewalt zu gewährleisten. Die anderen sehen das Gemeinwesen längst vom Virus einer schleichenden Islamisierung infiziert und wollen noch rechtzeitig gegensteuern. Die Krise ist nicht über Nacht zu beheben. Sicher ist, sie wird hässliche Spuren und politische Opfer hinterlassen.
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