Neue Zahnheilkunde braucht neue Basis der gesetzlichen Krankenversicherung
Berlin (ots)
Präsident Jürgen Weitkamp appelliert an die Bundesregierung: Mit Etablierung einer präventions- und ganzheitlich orientierten Zahnheilkunde muss auch der Wechsel im System der Krankenversicherung vollzogen werden
Neue Rahmenbedingungen und größeren Freiraum für die moderne Zahnheilkunde hat der neue Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, auf seiner ersten Pressekonferenz von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gefordert. Mit dem Verweis auf den aktuellen Umbruch in der Zahnheilkunde hin zur Prävention unter Berücksichtigung ganzheitlich-medizinischer Sichtweisen appellierte Weitkamp an die Bundesregierung, auch in der Gesundheitspolitik zu grundlegenden Änderungen bereit zu sein. "Budgetierung bedeutet die schlechteste Möglichkeit des Sparens, und jedes Budget ist eine Fortschrittsfalle", warnte Weitkamp. Die dringend nötige Reform der gesetzlichen Krankenversicherung müsse den Wechsel von der Pflichtversicherung zur Versicherungpflicht vollziehen, um auch langfristig eine bezahlbare Grundversicherung bei gleichzeitigen Wahlleistungen für die Versicherten zu ermöglichen.
Am neuen Berliner Sitz der Kammer (zuvor Köln) beschrieb Weitkamp den aktuellen Wandel in der Zahnheilkunde aus vier gleichzeitig wirkenden Entwicklungen: Statt der früheren technisch-handwerklichen Dominanz gewinne eine ganzheitlich-medizinische Sicht zunehmend an Bedeutung, die vom Paradigmenwechsel von der kurativen (heilenden) zur präventiven (vorbeugenden) Zahnheilkunde begleitet werde. Gleichzeitig müsse ärztliches Handeln sich zu einer besser nachvollziehbaren und auf Transparenz basierenden Patientenversorgung wandeln. Das Berufsbild und die Berufsordnung müssten überprüft, und das Miteinander von Generalisten und Spezialisten neu geordnet werden. Auch das gewachsene Informationsbedürfnis einer aufgeklärten Öffentlichkeit gelte es zu berücksichtigen, erklärte Weitkamp.
"Unser Fach, die Zahnheilkunde, wandelt sich in den letzten Jahren sehr schnell, wir haben nicht mehr nur ein Gebiss oder zwei Kiefer im Blick, wir sind zum Mundarzt geworden und wissen heute sogar, dass es viele und wichtige Verbindungen vom Munde zum ganzen Menschen gibt", führte der BZÄK-Präsident weiter aus. "Wir haben heute weniger Schäden zu beseitigen als vielmehr in Zusammenarbeit mit dem Patienten eine risikomindernde Präventive Medizin zu betreiben und dabei eine an wissenschaftlichen Standards orientierte Qualitätssicherung unserer Behandlung anzustreben. Und wir werden die Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung neu regeln, um dieser veränderten Orientierung der Zahnheilkunde sowie den Wünschen der Gesellschaft und unserer Patienten entgegenzukommen."
Dazu sei eine völlige Neubeschreibung der Zahnheilkunde vonnöten, die zur Zeit mit anderen zahnärztlichen Spitzenorganisationen vorbereitet werde. Eine Spezialistentruppe aus Wissenschaftlern und Praktikern aller Leistungen überprüfe dazu derzeit alle Schritte der Diagnostik und der Therapie, um die ganzheitliche Behandlung und die Präventionsorientierung in diese Neubeschreibung einfließen zu lassen. Weitkamp: "Die neu zu beschreibende präventionsorientierte Zahnheilkunde mit ihren vielen und wachsenden Verbindungen zur Medizin ist erheblich komplexer als die Beschreibung des Fachs im bisherigen Sinne." Auch die Ergebnisse einer arbeitswissenschaftlichen Untersuchung der mentalen und körperlichen Belastungen des Zahnarztes, mit der das Institut der deutschen Zahnärzte (IDZ) beauftragt worden sei, sollten hier mit einfließen. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen sollen in einem zweiten Schritt neue, moderne Gebührenordnungen für die Privatpraxis und die gesetzliche Krankenversicherung erstellt werden.
Wie weit die gesetzliche Krankenversicherung sich an dieser neuen Zahnheilkunde beteiligen könne, hänge stark vom politischen Willen ab. "Aufgabe der Krankenversicherung der Zukunft wird es sein, den Versicherten eine Grundversorgung zu bieten und dazu mit überschaubaren Zuschüssen den Patienten Wahlfreiheit im modernen, breitgestreuten Leistungsangebot des Zahnarztes zu gewähren", erläuterte Weitkamp.
Im Sinne der besseren Orientierung der Patienten sei die neue Kammer-Zertifizierung von Fortbildungsmaßnahmen der Zahnärzte zu verstehen. Sie diene gleichzeitig der Qualitätssicherung, mache es dem Bürger und Patienten aber auch leichter zu erfahren, welcher Zahnarzt besondere Kenntnisse erworben hat.
Eines der wichtigsten Ziele der Kammer in diesem Jahr sei eine nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustands weiter Bevölkerungskreise. Ein großer Teil der Parodontalerkrankungen sei inzwischen nicht nur aufzuhalten, sondern zu heilen. Mit diesen Therapien seien nicht nur Zahnverluste vermeidbar, auch Risikofaktoren für verschiedene internistische Erkrankungen ließen sich so ausschalten. Weitkamp wörtlich: "Wir wissen heute, dass Parodontalerkrankungen signifikante Einflüsse auf koronare Herzkrankheiten, auf Herzinfarkt, Diabetes sowie auf Schwangerschaften haben. Zahnärzte können und müssen also zur Verlängerung der Lebenserwartung beitragen - eine dankbare Perspektive!"
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