Frauen stufen ihre Forschungsergebnisse zurückhaltender ein
Frauen stufen ihre Forschungsergebnisse zurückhaltender ein
Männliche Wissenschaftler bezeichnen ihre Forschungsergebnisse häufiger als "ausgezeichnet", "neuartig" und "einzigartig". Das ergab eine groß angelegte Studie eines internationalen Forscherteams der Universität Mannheim, der Harvard Medical School und der Yale University.
Anschein ist Realität, sagt man häufig, und dies trifft sogar auf die Ergebnisse von medizinischer und biowissenschaftlicher Forschung zu. Die Sprache, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wählen, um ihre Entdeckungen zu beschreiben, kann den Grad der Aufmerksamkeit von Fachkollegen steigern, nachfolgende Zitierungen fördern und womöglich den beruflichen Aufstieg erleichtern. Dabei verwenden männliche Wissenschaftler Wörter wie "ausgezeichnet", "neuartig" und "einzigartig" in den Überschriften und Zusammenfassungen ihrer Artikel viel häufiger als Frauen. Dies sind die Ergebnisse einer Studie, die von einem internationalen Forscherteam von der Universität Mannheim, der Harvard Medical School und der Yale University durchgeführt und im Fachjournal BMJ veröffentlicht wurde.
Die groß angelegte Studie, die geschlechtsspezifische Unterschiede in der sprachlichen Gestaltung der biomedizinischen Forschung quantifiziert, ist die erste ihrer Art. Die Forscher analysierten mehr als sechs Millionen klinische und biowissenschaftliche Publikationen und stellten fest, dass männliche Hauptautoren mit einer um bis zu 21 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit positives Framing in Überschriften und Zusammenfassungen verwenden. Mit "positivem Framing" wird eine Sprache bezeichnet, welche die Ergebnisse als besonders wichtig einstuft. Der Unterschied der positiven Präsentation zwischen den Geschlechtern war in bedeutenden klinischen Fachzeitschriften am größten.
Die Untersuchung zeigte auch, dass die Verwendung positiver Wörter einen signifikanten Einfluss darauf hatte, wie die Forschung von Lesern wahrgenommen wurde. Positives Framing war mit mehr nachfolgenden Zitierungen verbunden. Der Effekt betrug in besonders bedeutsamen klinischen Fachzeitschriften mit hohem Impact Factor bis zu 13 Prozent.
"Unterschiede, wie Frauen ihre Forschungsleistungen im Vergleich zu Männern präsentieren, könnten zu der anhaltenden Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen beitragen", so Assistenzprofessor Marc Lerchenmüller von der Universität Mannheim, der die Studie geleitet hat. "Eine theoretische Erklärung wäre, dass Männer möglicherweise ihre Forschung stärker 'verkaufen', weil die Gesellschaft bei ihnen ein solches Verhalten eher akzeptiert. Wir wollten einen potentiellen Geschlechterunterschied aber quantifizieren", beschreibt der Ökonom die Motivation für die Studie.
Um mögliche Änderungen in der redaktionellen Praxis im Laufe der Jahre oder zwischen den Zeitschriften zu berücksichtigen, verglichen die Forscher Artikel aus derselben Publikation und aus demselben Jahr miteinander. Das Forscherteam verglich ferner nur Veröffentlichungen mit ähnlicher Thematik und Aktualität.
Was kann gegen eine sprachbedingte Benachteiligung getan werden?
Trotz steigender Zahl von Frauen in der Wissenschaft, sind Wissenschaftlerinnen nicht nur an medizinischen und biowissenschaftlichen Fakultäten weiterhin unterrepräsentiert. Frauen verdienen außerdem weniger und erhalten weniger Forschungsstipendien und Zitierungen als ihre männlichen Kollegen. Dies wird von vielen systemischen, sozialen und kulturellen Faktoren beeinflusst, einschließlich bewusster und unbewusster Vorurteile.
Was kann also getan werden, um mögliche Auswirkungen derartiger sprachlicher Disparitäten zu mildern? Der erste Schritt bestehe darin, Evidenz zu sammeln und das Bewusstsein für Unterschiede, wo immer sie auch existieren, zu schärfen, sagten die Forscher.
"Es ist nützlich sowohl für Frauen als auch Männer, sich darüber im Klaren zu sein, dass diese Unterschiede in der Sprachverwendung existieren und dass sie die Wahrnehmung von Forschung beeinflussen können", sagte Lerchenmüller.
Die Forscher bestätigen, dass das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in der biomedizinischen Forschung und in der akademischen Medizin viele Ursachen hat. Dies bedeutet, dass zunehmende Gerechtigkeit Ansätze in den verschiedensten Bereichen erfordert, einschließlich Bildung, Mentoring und Publizierpraxis.
Weitere Informationen:
Das Manuskript "Gender differences in how scientists present the importance of their research: observational study" ist erhältlich unter: https://www.bmj.com/content/367/bmj.l6573
Pressefotos finden Sie unter: https://www.uni-mannheim.de/newsroom/presse/pressefotos/
Pressekontakt: Prof. Dr. Marc Lerchenmueller Assistenzprofessor für Technologische Innovation und Managementwissenschaften Universität Mannheim Tel. +49 621 181-1605 E-Mail: marc.lerchenmueller@uni-mannheim.de
Yvonne Kaul Forschungskommunikation Universität Mannheim Tel. +49 621 181-1266 E-Mail: kaul@uni-mannheim.de