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Absenkung des Wahlalters hilft nicht gegen Aufstieg rechtspopulistischer Parteien

Absenkung des Wahlalters hilft nicht gegen Aufstieg rechtspopulistischer Parteien

Die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ist nur eine Option, aber keine Garantie für die Unterstützung von Demokratie und demokratischen Parteien. Das zeigt eine neue Studie des Politikwissenschaftlers Thomas König und seines Co-Autors Stefan Eschenwecker von der Universität Mannheim.

Können durch die Absenkung des Wahlalters die Demokratie und die Unterstützung demokratischer Parteien gestärkt werden? Unter der Annahme, dass die Wahlerfahrung von Jungwähler*innen die Demokratie und die Unterstützung demokratischer Parteien stärken wird, wurde in vielen Bundesländern das Wahlalter bei Europa- und Kommunalwahlen auf 16 Jahre gesenkt. Die Anfang Mai vorgestellte Studie "Jugend in Deutschland" hat erste Zweifel an dieser These gesät. Laut dieser Studie tendieren immer mehr junge Menschen unter 30 zur Wahl der rechtspopulistischen AfD – ein Trend, der nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Staaten messbar ist. Einen Nachweis für den Zusammenhang zwischen der Wahlerfahrung und der Wahlpräferenz konnte allerdings bislang keine empirische Untersuchung erbringen, so dass die Folgen aus der Absenkung des Wahlalters eher spekulativ beantwortet wurden.

In einer neuen Studie ist es Prof. Dr. Thomas König, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Europäische Politik, an der Universität Mannheim und seinem Mitarbeiter Stefan Eschenwecker nun erstmals gelungen, einen kausalen Zusammenhang zwischen Wahlerfahrung und Wahlverhalten von Jungwähler*innen nachzuweisen. In der europaweiten Untersuchung zu den Europawahlen 2019 mit fast 45.000 Befragten erforschten die Autoren das Wahlverhalten von 3.340 Jungwähler*innen. Dabei haben sie zwischen Erst- und Zweitwähler*innen unterschieden, also Jungwähler*innen, die zum ersten oder zum zweiten Mal gewählt haben. Im Vergleich zu älteren Wähler*innen haben Jungwähler*innen höhere Erwartungen an die Folgen ihres Wahlakts, so dass sich positive oder negative Erfahrungen eher auf ihr zukünftiges Demokratieverhalten auswirken.

Die Resultate zeigen deutlich, dass sich beide Gruppen anhand ihrer Wahlerfahrung unterscheiden und dass die erfahrenere Zweitwählergruppe eine signifikant unterschiedliche Wahlpräferenz verfolgt: Die Wahrscheinlichkeit, dass Jungwähler*innen mit Wahlerfahrung eine populistische Partei wählen, ist im Durchschnitt um 11 Prozent höher als bei Jungwähler*innen, die zum ersten Mal wählen. Die Wahlerfahrung schlägt also deutlicher nach rechts aus als bei der vergleichbaren Altersgruppe, während bei älteren Altersgruppen mit noch mehr Wahlerfahrung kein Effekt feststellbar ist.

„Es gibt viele gute Gründe, das Wahlalter abzusenken und junge Leute an demokratische Verhaltensweisen heranzuführen“, sagt König. „Man sollte sich aber dabei nicht von Spekulationen, sondern von evidenzbasierten Einsichten leiten lassen.“. Eine höhere Wahlbeteiligung an sich stärke daher nicht unbedingt die Demokratie, indem sie eine gut informierte und pro-demokratische Wähler*innenschaft hervorbringt. Wichtig erscheint vielmehr, ob die Erwartungen der Wählerschaft erfüllt werden. Wenn das eher nicht der Fall sein sollte, dann könnten populistische Parteien bei den kommenden Wahlen 2024 von der Absenkung des Wahlalters gegenüber 2019 profitieren.

Um die Wirkung von Wahlerfahrung feststellen zu können, wurden im Rahmen der Studie die beiden Wählergruppen in einem ersten Schritt anhand ihres Wahlalters identifiziert, um die bekundete Wahlbeteiligung der „erfahrenen“ Zweitwählergruppe zu überprüfen. In einem zweiten Schritt wurde für Erfahrungen aus anderen Wahlen und Einstellungen zu gesellschaftspolitischen Themen und Demokratie kontrolliert, um die eindeutige Wirkung von Wahlerfahrung auf die Wahl einer populistischen oder demokratischen Partei bestimmen zu können.

Interessanterweise spielen populistische Einstellungen keine Rolle für die erhöhte Absicht von wahlerfahrenen Jungwähler*innen, populistische Parteien zu wählen. „Offensichtlich liegen die Gründe für ihre Unterstützung populistischer Parteien tiefer und sind vermutlich in der Enttäuschung ihrer Erwartungen an die Politik zu suchen, die sie nach ihrer Wahlbeteiligung erfahren haben“, so die Studienautoren.

Die Studie ist zurzeit als working paper hier erhältlich.

König, T., Eschenwecker, S. The transformative implications of Electoral Participation for the Vote Choice of Populist Parties (xxxx). Political Science Research and Methods.

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas König
Professur für Politikwissenschaft, Europäische Politik
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-2073
E-Mail:  koenig@uni-mannheim.de   
Yvonne Kaul 
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
 E-Mail:  kaul@uni-mannheim.de
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