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Mehrheit für Vorgehen gegen Online-Hassrede, doch weitergehende Konsequenzen sind umstritten

Mehrheit für Vorgehen gegen Online-Hassrede, doch weitergehende Konsequenzen sind umstritten

Wie umgehen mit Hass und Hetze im Netz? Eine internationale Studie zeigt starken öffentlichen Rückhalt für Regulierung, doch was als Hasskommentar wahrgenommen wird, variiert oft je nach individuellem Standpunkt.

Obwohl eine große Mehrheit der Befragten unter bestimmten Bedingungen Maßnahmen gegen Hass im Netz befürwortet, bleibt die Akzeptanz von Konsequenzen, die über Online-Sanktionierungen hinausgehen, begrenzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie des Mannheimer Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Richard Traunmüller (Universität Mannheim) und seiner Kollegen Prof. Dr. Simon Munzert (Hertie School), Dr. Pablo Barberá (University of Southern California), Prof. Dr. Andrew Guess (Princeton University), and Dr. JungHwan Yang (University of Illinois).

„Vor dem Hintergrund strengerer EU-Vorgaben wie dem Digital Services Act und strafrechtlicher Verfolgung in Deutschland stellt sich die Frage: Was sollte im Internet gelöscht oder geahndet werden? Die Antwort ist schwierig, da schon die Frage, was überhaupt als Hassrede gilt und wie ihre destruktive Wirkung zu beurteilen ist, je nach kultureller Prägung und politischer Überzeugung ganz unterschiedlich beantwortet wird“, erklärt Richard Traunmüller, Professor für Empirische Demokratieforschung an der Universität Mannheim und Projektleiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES).

Befragte bewerteten realitätsnahe Social-Media Posts

Das Forschungsteam führte Studien mit Beteiligung von über 2.500 Befragten aus Deutschland und den USA durch. Die Studienteilnehmenden wurden jeweils mit acht Dialogen aus den sozialen Medien konfrontiert und jeder Wortwechsel begann mit einer Nachricht und einer darauffolgenden Antwort, die in ihrer Intensität von harmlos bis stark hasserfüllt variierte. Anschließend sollten die Befragten eine passende Reaktion auf die Antwort finden, sei es durch Maßnahmen der Plattformen (zum Beispiel das Löschen der Nachricht) oder durch Konsequenzen für den nicht-digitalen Alltag (zum Beispiel eine Geldstrafe).

Die Resultate zeigen: Je stärker der wahrgenommene Hassgehalt, desto eher wird Regulierung befürwortet. Offensichtlichere Formen der Hassrede werden deutlich stärker abgelehnt als subtilere Formen wie diskriminierende Sprache. Zudem befürwortet ein großer Teil der Befragten (mehr als 70 Prozent in Deutschland und mehr als 60 Prozent in den USA) in beiden Ländern Einschränkungen der Meinungsfreiheit bei extremen Beleidigungen oder bei Gewaltaufrufen.

Konsequenzen für den nicht-digitalen Alltag, wie beispielsweise Geldstrafen oder der Verlust des Arbeitsplatzes, werden jedoch selbst bei besonders extremen Formen von Hassrede von einem wesentlichen Teil der Befragten abgelehnt. Konkret: Ein Drittel der Befragten in Deutschland entschied sich bei extremen Formen von Hassrede gegen und zwei Drittel entschieden sich für weitreichende Sanktionen. Eine Einschränkung auf der Plattformebene bei extremer Hassrede wird dagegen von mehr als 95 Prozent der Befragten unterstützt. In den USA ist das Verhältnis weitreichender Konsequenzen bei extremer Hassrede in etwa 50-50. „Unsere Studie zeichnet ein klares Bild: Einerseits stehen die Internetplattformen in der Pflicht zu handeln. Andererseits werden weitergehende Konsequenzen über den digitalen Raum hinaus von relativ großen Teilen der Bevölkerung nicht unterstützt“, so Richard Traunmüller.

Was erklärt den Widerstand gegen die Einschränkung von Hassrede?

In der öffentlichen Debatte wird die Regulierung von Hassrede oft als Eingriff in die Meinungsfreiheit gesehen. Die Studie macht einen zusätzlichen psychologischen Mechanismus deutlich: Die Wahrnehmung von Hassrede wird durch die eigene Gruppenzugehörigkeit beeinflusst. Konkret legen die Studienergebnisse nahe, dass Personen toleranter gegenüber Hassrede aus der eigenen ideologischen Gruppe sind und strenger über Hassrede aus einer anderen Gruppe urteilen.

„Wir nennen dies In-Group Bias. Er führt dazu, dass Regulierung vor allem dann auf Widerstand stößt, wenn die eigene Gruppe betroffen ist, und eher befürwortet wird, wenn sie die Gegenseite betrifft“, erklärt Prof. Dr. Simon Munzert, Studienleiter an der Hertie School. Besonders im Hinblick auf die automatisierte oder KI-gestützte Moderation sowie die Frage nach einer angemessenen staatlichen Regulierung von Hassrede bestehen erhebliche Unterschiede in den Vorstellungen darüber, was problematisch ist. „Ein gesellschaftlicher Konsens, der es ermöglicht, allgemein akzeptierte Entscheidungen zu treffen, fehlt“, so Munzert weiter.

Die Studie mit dem Titel Citizen preferences for online hate speech regulation ist kürzlich in der Fachzeitschrift PNAS Nexus erschienenen.

Weitere Informationen und Kontakt:
Prof. Dr. Richard Traunmüller
MZES-Projektleiter und Professor für Empirische Demokratieforschung
Universität Mannheim
Telefon: +49 621181-2288
E-Mail:  traunmueller@uni-mannheim.de
 https://www.richardtraunmueller.com/
Prof. Dr. Simon Munzert
MZES-Projektleiter und Professor für Data Science und Public Policy
Hertie School
Telefon: +49 30 259 219-450
E-Mail:  munzert@hertie-school.org
 https://simonmunzert.com/ 
Jan Dillhöfer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49 621 181-2859
 E-Mail:  dillhoefer@mzes.uni-mannheim.de
  www.mzes.uni-mannheim.de
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