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Wissenschaftliches Institut der AOK

Hormontherapie: Zu langer Bremsweg - Der lange Weg wissenschaftlicher Erkenntnisse in den therapeutischen Alltag

Bonn (ots)

Der Bremsweg bei der Hormontherapie in Deutschland
ist nach Ansicht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) viel
zu lang. Die verhängnisvolle Situation laut WIdO: durch den breiten
Einsatz von Hormonkombinationspräparaten bei Frauen in den
Wechseljahren ist mit bis zu 25.000 Brustkrebsdiagnosen in
Deutschland zu rechnen. Obwohl zwischenzeitlich verschiedene Studien
belegen, dass die gesundheitlichen Risiken einer langjährigen
Hormoneinnahme den Nutzen überwiegen, wurden im Jahr 2002 nach
Erhebungen des WIdO immer noch 877 Millionen Tagesdosen an Hormonen
verordnet. Diese Menge reicht aus, um 2,4 Millionen Frauen dauerhaft
mit Hormonen zu versorgen. Eine fünf bis zehnjährige Hormontherapie
bei diesen Frauen geht nach den Erkenntnissen der
"Million-Women"-Studie mit 8.000 bis 25.000 zusätzlichen
Brustkrebsdiagnosen einher. "Aktuelle Analysen der Verordnungszahlen
und Internetauftritte von Gynäkologen zeigen, dass es in Deutschland
viel zu lange dauert, bis die Gynäkologen ihr Verordnungsverhalten
auf den aktuellen Stand des medizinischen Wissens bringen", so Dr.
Anette Zawinell vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO).
Die dauerhafte Gabe von Hormonen als Ersatz der körpereigenen
Hormonproduktion ist bei Frauen in den Wechseljahren mit erheblichen
Risiken wie zum Beispiel Brustkrebs verbunden. Dennoch zeigen
aktuelle Auswertungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
(WIdO), dass die Verordnungsentwicklung in Deutschland noch
keineswegs der wissenschaftlichen Erkenntnislage entspricht. Lange
Zeit galt die Hormongabe als "Standardtherapie" mit
Präventionscharakter für Frauen in den Wechseljahren. Doch spätestens
im Sommer 2002 galt es therapeutische Empfehlungen neu zu definieren.
So musste ein Arm der WHI-Studie (Women´s Health Initiative) aufgrund
der deutlich erhöhten Anzahl an Herzinfarkten, Lungenembolien,
Schlaganfällen und Brustkrebserkrankungen bei den mir Hormonen
behandelten Frauen vorzeitig abgebrochen werden. Neuere Studien wie
zum Beispiel die "Million-Women"-Studie bestätigen die Risiken der
Hormontherapie. Auch die aktuellen Therapieempfehlungen schränken den
Einsatz von Hormonen in den Wechseljahren stark ein. Die Behandlung
sollte im Einzelfall kritisch hinterfragt werden und mit der
niedrigsten wirksamen Dosis so kurz wie möglich durchgeführt werden.
Aktuelle Verordnungszahlen zeigen allerdings, dass diese
Erkenntnisse in Deutschland nur zögerlich umgesetzt werden. Während
im ersten Quartal nach Erscheinen der WHI-Ergebnisse beispielsweise
in Kanada die Verschreibungen von Hormonen um 32 % im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum zurückgingen, sanken in Deutschland im gleichen
Zeitraum die Hormonverordnungen zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung gerade einmal um 14 %. So reichte die im Jahr
2002 verordnete Menge an Östrogenen und Gestagenen aus, um rund 2,4
Millionen GKV-versicherte Frauen dauerhaft mit Hormonen zu versorgen.
Allein durch die vielen Verschreibungen der Kombinationspräparate im
Jahr 2002 ist nach einer Modellrechnung mit den Ergebnissen der
"Million-Women"-Studie je nach Einnahmedauer mit ca. 8.000 bis 25.000
zusätzlichen Brustkrebsfällen zu rechnen. "Vor diesem Hintergrund hat
uns der besonders hohe Verordnungsanteil an über 60-jährige Frauen
überrascht, die wohl nur noch sehr selten unter starken
Wechseljahrsbeschwerden leiden", so Dr. Anette Zawinell vom WIdO.
Der zu lange Weg von der wissenschaftlichen Erkennntis in die
Praxis zeigt sich ebenfalls bei der Analyse der Internetseiten von
Gynäkologen, die im Auftrag des WIdOs von Prof. Dr. Petra Kolip vom
Zentrum für Public Health der Universität Bremen durchgeführt wurde.
Diese systematische Untersuchung aller Webseiten gynäkologischer
Arztpraxen in Deutschland kommt zu einem ernüchterndem Ergebnis: Die
Mehrzahl der Praxen gibt nach wie vor - trotz gegenteiliger
Studienlage - unkritische Empfehlungen zur Hormontherapie. In
Einzelfällen werden die aktuellen Befunde zu Risiken gar
bagatellisiert.
Die Analyse des aktuellen Verordnungsgeschehens sowie der Bericht
zur Analyse der Websites von Gynäkologinnen und Gynäkologen sind ab
sofort auf der WIdO-Webseite einsehbar:
http://www.wido.de/Arzneimittel/hormone

Pressekontakt:

Wissenschaftliches Institut der AOK
Kortrijker Straße 1
53177 Bonn
Tel.: 0228-843 393
Fax: 0228-843 144
email: wido@wido.aok.bv.de
http://www.wido.de/Arzneimittel/hormone

Original-Content von: Wissenschaftliches Institut der AOK, übermittelt durch news aktuell

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