ots.Audio: Deutsche Wirtschaft im Jahr 2008 nur noch mit moderatem Wachstum (Audio-Beitrag, Dauer 6 min.)
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Wiesbaden (ots)
Das Statistische Bundesamt hat heute die erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt 2008 bekannt gegeben. Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise und allgemeiner Rezessionsängste wurden diese Zahlen mit großer Spannung erwartet. Über die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im Jahr 2008 sprechen wir mit Roderich Egeler, dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes.
Frage 1: Herr Egeler, wie hat sich die deutsche Wirtschaft im abgelaufenen Jahr entwickelt?
O-Ton 18 sec: Deutlich schwächer als in den beiden vorangegangenen Jahren. Unsere erste Schätzung für 2008 ergab, dass das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt um 1,3% höher war als ein Jahr zuvor. 2007 hatten wir noch ein Wachstum von 2,5% und 2006 da war es sogar 3%.
Frage 2: In den vergangenen Jahren kamen große Wachstumsimpulse aus dem Ausland. War das auch im Jahr 2008 so?
O-Ton 25 sec: Im Gegenteil. Vom Außenhandel gingen 2008 sogar negative Effekte aus auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die deutschen Exporte stiegen mit 3,9% deutlich schwächer als in den letzten beiden Jahren. Gleichzeitig erhöhten sich die Importe um 5,2%. Der Außenhandelssaldo ist im Vergleich zu 2007 gesunken, so dass wir daraus einen bremsenden Effekt auf die Wirtschaftsentwicklung feststellen müssen.
Frage 3: Dies bedeutet also, dass die Binnennachfrage die Konjunktur im Jahr 2008 gestützt hat?
O-Ton 43 sec: Das muss man differenzieren: Was den privaten Konsum angeht, kann man das nicht sagen. Die privaten Konsumausgaben sind preisbereinigt gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben. Sie haben also nichts zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Die positiven Effekte kamen von den anderen Komponenten der Binnennachfrage. Entscheidend war dabei, dass die Bruttoinvestitionen mit einem Zuwachs von 6,1% das gute Ergebnis des Vorjahres noch einmal übertroffen haben. Dabei erhöhten die Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen um 5,3% und die Bauinvestitionen stiegen um 2,7%. Und schließlich hat auch der Konsum des Staates um 2,2% im Jahre 2008 deutlich zugenommen.
Frage 4: Welche Branchen haben denn 2008 besonders zum Wirtschaftswachstum beigetragen und gab es Bereiche, in denen die Entwicklung stagnierte?
O-Ton 41 sec: Insgesamt hatten wir eine positive Entwicklung in allen Wirtschaftsbereichen. Allerdings zeigten die beiden Bereiche, die für die deutsche Wirtschaft die größte Bedeutung haben, eine deutlich nachlassende Dynamik: Im produzierenden Gewerbe stieg die preisbereinigte Bruttowertschöpfung nur noch um 0,7%; 2007 hatte sie noch um 5,2% zugelegt. Und im Bereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister betrug das Wachstum 2008 nur noch 1,7% nach 3,6% im Jahr 2007. Einen Punkt möchte ich hier noch besonders betonen: Das Baugewerbe hatte mit 3,3% eine überdurchschnittliche Zuwachsrate.
Frage 5: Hat denn das Wirtschaftswachstum von 1,3% ausgereicht, um positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen?
O-Ton 31 sec: Wir haben hier zunächst einmal erfreuliche Ergebnisse zu vermelden: Die Zahl der Erwerbstätigen lag im Durchschnitt des Jahres 2008 mit 40,4 Millionen auf dem Höchststand seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig ging auch die Zahl der Erwerbslosen um 471 000 Personen auf 3,1 Millionen zurück. Allerdings müssen wir am aktuellen Rand, das heißt in unseren Ergebnissen der unmittelbar zurückliegenden Monate feststellen, dass allmählich die konjunkturelle Abschwächung auch am Arbeitsmarkt angekommen ist.
Frage 6: Wirtschaftswachstum und steigende Beschäftigung sind eine Seite. Haben auf der anderen Seite die Arbeitnehmer aber auch einkommensmäßig von der positiven Entwicklung profitiert?
O-Ton 29 sec: Auf den ersten Blick: Ja. Die monatlichen Bruttolöhne und -gehälter sind je Arbeitnehmer um 2,3% gestiegen, die entsprechenden Nettolöhne und -gehälter um 1,4%. Bei den Bruttoentgelten war dies der größte Zuwachs seit 1995, bei den Nettoentgelten seit 2004. Diese auf den ersten Blick positive Entwicklung relativiert sich jedoch vor dem Hintergrund der hohen Inflationsrate von 2,6% im Jahre 2008.
Frage 7: Wie weit ist der Staat denn von einem ausgeglichenen oder sogar positiven Finanzierungssaldo entfernt?
O-Ton 27 sec: Hier hat sich die positive Entwicklung der letzten Jahre fortgesetzt. Nach unseren vorläufigen Berechnungen hatten Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zusammen genommen ein Finanzierungsdefizit von 1,6 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt bedeutet dies eine Defizitquote von 0,1%. Das Ziel eines ausgeglichenen Finanzierungssaldos wurde also nur knapp verfehlt.
Frage 8: Wie schätzen Sie das deutsche Wachstum 2008 im internationalen Vergleich ein?
O-Ton 31 sec: Die Europäische Kommission hat im vergangenen Herbst für die Eurozone ein jährliches Wachstum für 2008 von 1,2% prognostiziert. Für die 27 Mitgliedstaaten der EU ein Plus von 1,4%. Für die USA rechnet die Kommission mit einem Wachstum von 1,5% und für Japan + 0,4%. Mit den von uns berechneten 1,3% Wachstum hat sich Deutschland also gut behauptet.
Frage 9: Herr Egeler, wie beurteilen Sie zusammenfassend die Wirtschaftslage in Deutschland?
O-Ton 39 sec: Mit gemischten Gefühlen: Sicherlich kann man für das Jahr 2008 insgesamt positiv feststellen, dass wir im Jahresdurchschnitt noch ein Wirtschaftswachstum erzielten, auch wenn es geringer ausgefallen ist als in den Vorjahren. Positiv ist auch, dass die Erwerbstätigenzahl einen Rekordstand erreicht hat und der Staat einen nahezu ausgeglichenen Finanzierungssaldo ausweist. Aber bereits seit dem zweiten Quartal mussten wir eine Abkühlung der Konjunktur feststellen. Und schließlich: Wenn wir uns die jüngsten Ergebnisse unserer Konjunkturindikatoren anschauen, dann müssen wir doch eher pessimistisch auf die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Monate blicken.
Herr Egeler, vielen Dank für Ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung im vergangenen Jahr und für die Ausblicke auf 2009.
ACHTUNG REDAKTIONEN: Das Tonmaterial ist honorarfrei zur Verwendung. Wir bitten jedoch um einen Hinweis, wie der Beitrag eingesetzt wurde an desk@newsaktuell.de .
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