Bruttoinlandsprodukt: Ausführliche Ergebnisse zur Wirtschaftsleistung im 1. Quartal 2022
Deutsche Wirtschaft startet trotz schwieriger Rahmenbedingungen mit leichtem Wachstum ins Jahr 2022
WIESBADEN (ots)
Bruttoinlandsprodukt, 1. Quartal 2022
+0,2 % zum Vorquartal (preis-, saison- und kalenderbereinigt)
+4,0 % zum Vorjahresquartal (preisbereinigt)
+3,8 % zum Vorjahresquartal (preis- und kalenderbereinigt)
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im 1. Quartal 2022 gegenüber dem 4. Quartal 2021 - preis-, saison- und kalenderbereinigt - um 0,2 % gestiegen. Gegenüber dem 4. Quartal 2019, dem Quartal vor Beginn der Corona-Krise, war die Wirtschaftsleistung um 0,9 % niedriger. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, entspricht das den Ergebnissen der Schnellmeldung vom 29. April 2022. "Der Krieg in der Ukraine und die anhaltende Corona-Pandemie haben bereits bestehende Verwerfungen, zu denen gestörte Lieferketten und steigende Preise zählen, nochmals verstärkt", sagt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. "Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die deutsche Wirtschaft mit einem leichten Wachstum in das Jahr 2022 gestartet", so Thiel weiter.
Investitionen in Ausrüstungen und Bauten stützen Wirtschaftswachstum, Außenhandel wirkt dämpfend
Im Spannungsfeld von steigenden Preisen auf der einen und Lockerungen der Corona-Maßnahmen auf der anderen Seite bewegten sich die privaten Konsumausgaben im 1. Quartal 2022 auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorquartal (-0,1 %). Auch die staatlichen Konsumausgaben änderten sich nur geringfügig (+0,1 %). Starke Impulse kamen hingegen von den Investitionen: Wegen der milden Witterung im 1. Quartal 2022 legten die Bauinvestitionen trotz deutlicher Preisanstiege gegenüber dem 4. Quartal 2021 um 4,6 % zu. In Ausrüstungen wurde 2,5 % mehr investiert als im Vorquartal.
Der Handel mit dem Ausland war zum Jahresbeginn insgesamt rückläufig. Preis-, saison- und kalenderbereinigt sanken die Gesamtexporte im 1. Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal um 2,1 %, was auf niedrigere Warenexporte zurückzuführen ist. Eine Ursache sind die anhaltenden internationalen Lieferkettenprobleme, die zum Beispiel zu geringeren Kraftfahrzeug-Exporten geführt haben könnten. Die Gesamtimporte nahmen hingegen um 0,9 % zu, weil die Dienstleistungsimporte kräftig stiegen, etwa durch mehr Reisen.
Bruttowertschöpfung in der Industrie leicht im Minus, in den Dienstleistungen im Plus
Die preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttowertschöpfung war im 1. Quartal 2022 insgesamt 0,7 % höher als im 4. Quartal 2021. Dabei zeigte sich bezogen auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche ein gemischtes Bild: Verteuerte oder ausbleibende Vorprodukte sowie der Ende Februar 2022 beginnende Krieg in der Ukraine haben die Wirtschaftsleistung im Produzierenden Gewerbe ohne Bau im 1. Quartal 2022 gebremst (-0,4 %). Exemplarisch hierfür sind die in der Automobilindustrie benötigten, aber nicht ausreichend verfügbaren elektrischen Kabelbäume. Währenddessen stieg die Bruttowertschöpfung im Baugewerbe um 4,5 %. Den stärksten Zuwachs verzeichneten mit 6,2 % die Sonstigen Dienstleister, zu denen unter anderem die Bereiche Unterhaltung und Erholung zählen. Dies lag vor allem an den Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen im Laufe des 1. Quartals 2022.
Bruttoinlandsprodukt im Vorjahresvergleich gestiegen
Im Vorjahresvergleich war das BIP im 1. Quartal 2022 preisbereinigt 4,0 % höher als im 1. Quartal 2021, in dem die deutsche Wirtschaft von den Auswirkungen der zweiten Welle der Corona-Pandemie getroffen worden war. Preis- und kalenderbereinigt betrug das BIP-Wachstum 3,8 %.
Privater Konsum gegenüber Vorjahr deutlich im Plus, Staatskonsum und Investitionen mit moderaten Zuwächsen
Im Vorjahresvergleich nahm die inländische Nachfrage trotz starker Preisanstiege deutlich zu. Das gilt vor allem für die privaten Konsumausgaben, die preisbereinigt gegenüber dem vom harten Corona-Lockdown geprägten 1. Quartal 2021 um 8,5 % stiegen. Besonders für die krisengebeutelten Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen gaben die privaten Haushalte im 1. Quartal 2022 preisbereinigt mehr als doppelt so viel aus wie im Vorjahr (+124,2 %). Auch der Staat erhöhte nochmals seine Konsumausgaben (+1,8 %), was vor allem an der Beschaffung von weiteren Impfstoffen lag. Die Bauinvestitionen profitierten von der extrem milden Witterung zu Beginn des Jahres 2022 und nahmen im Vergleich zum Vorjahr zu (preisbereinigt +2,2 %). In Ausrüstungen wurde preisbereinigt nur unwesentlich mehr investiert als ein Jahr zuvor (+0,4 %), was sich neben anziehenden Preisen auch auf den Rückgang der gewerblichen Pkw-Neuzulassungen zurückführen lässt.
Auch der Handel mit dem Ausland nahm im Vergleich zum Vorjahr zu: Im 1. Quartal 2022 wurden insgesamt 2,9 % mehr Waren und Dienstleistungen ins Ausland exportiert als im 1. Quartal 2021. Die Importe stiegen im selben Zeitraum preisbereinigt um 7,2 %. Während der Handel mit Waren nur wenig höher ausfiel als im Vorjahresquartal, legte der Dienstleistungshandel zweistellig zu. Ein Grund für den kräftigen Anstieg der Dienstleistungsimporte und -exporte war die kontinuierliche Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland und dem Ausland und der dadurch zunehmende Reiseverkehr im Laufe des 1. Quartals 2022.
Fast alle Wirtschaftsbereiche legen im Vorjahresvergleich zu
Die preisbereinigte Bruttowertschöpfung verzeichnete im 1. Quartal 2022 gegenüber dem 1. Quartal 2021 insgesamt einen deutlichen Zuwachs von 3,6 %. Ausgehend von einem schwachen Vorjahresquartal, in dem die Auswirkungen der Corona-Pandemie in der Wirtschaft noch deutlicher zu spüren waren, nahm die Wirtschaftsleistung zum Jahresbeginn 2022 in allen Dienstleistungsbereichen zu. Besonders stark stieg die Bruttowertschöpfung im Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe (+8,7 %), was vor allem auf den Basiseffekt durch die deutlich schärferen Corona-Schutzmaßnahmen im 1. Quartal 2021 zurückzuführen ist. Positiv wirkten sich die Lockerungen auch auf die Unternehmensdienstleister (+7,6 %) und die Sonstigen Dienstleister (8,5 %) aus. Das Baugewerbe wuchs trotz besonders starker Preissteigerungen im Vorjahresvergleich um 2,2 %. Dämpfend wirkte hingegen ein leichter Rückgang der preisbereinigten Bruttowertschöpfung im Produzierenden Gewerbe von 0,3 %.
Erwerbstätigenzahl erstmals wieder über Vorkrisenniveau
Die Wirtschaftsleistung wurde im 1. Quartal 2022 von rund 45,1 Millionen Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland erbracht. Das waren 687 000 Personen oder 1,5 % mehr als ein Jahr zuvor und erstmals wieder mehr als vor der Corona-Krise (siehe Pressemitteilung Nr. 208/22 vom 18. Mai 2022).
Da sehr viel weniger Kurzarbeit in Anspruch genommen wurde, waren auch die durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen um 1,7 % höher als im 1. Quartal 2021. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen - also die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen - stieg im selben Zeitraum kräftig um 3,3 %. Das ergaben erste vorläufige Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.
Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität - gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde - nahm nach vorläufigen Berechnungen gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,7 % zu. Je Erwerbstätigen war sie 2,5 % höher als im 1. Quartal 2021.
Einkommen und Konsum steigen kräftig, Sparquote sinkt
In jeweiligen Preisen gerechnet war das BIP im 1. Quartal 2022 um 8,0 % und das Bruttonationaleinkommen um 8,8 % höher als ein Jahr zuvor. Das Volkseinkommen war nur 5,1 % höher als im 1. Quartal 2021, da beispielsweise deutlich weniger Subventionen in Form von Corona-Hilfen für Unternehmen gezahlt wurden. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen nach ersten vorläufigen Berechnungen lediglich um 1,6 %, während das Arbeitnehmerentgelt mit +6,6 % stärker zulegte. Auch die Bruttolöhne und -gehälter verzeichneten ein kräftiges Plus, das im Durchschnitt je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer bei 5,5 % lag. Das ist vor allem auf den massiven Rückgang der Kurzarbeit gegenüber dem 1. Quartal 2021 sowie auf hohe Sonderzahlungen, insbesondere von Corona-Prämien, zurückzuführen. Netto war der Zuwachs der Durchschnittsgehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit +5,0 % etwas geringer, weil die Sozialabgaben und die Lohnsteuer stärker stiegen als die Bruttolöhne und -gehälter. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte war im 1. Quartal 2022 um 4,0 % höher als vor einem Jahr. Die privaten Konsumausgaben in jeweiligen Preisen lagen 13,8 % über dem Vorjahreswert. Während die privaten Haushalte im 1. Quartal 2021 aufgrund der massiven Corona-Einschränkungen erheblich weniger konsumiert und mehr gespart hatten als gewöhnlich, führten im 1. Quartal 2022 die Lockerungen einerseits und die starken Preisanstiege andererseits zu steigenden nominalen Konsumausgaben und einer normalisierten Sparquote: Diese lag nach vorläufigen Berechnungen bei 14,6 % (nach 22,0 % im 1. Quartal 2021).
Internationaler Vergleich
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von preis-, saison- und kalenderbereinigt 0,2 % im 1. Quartal 2022 gegenüber dem 4. Quartal 2021 etwa im europäischen Durchschnitt. Während das BIP in den anderen großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ebenfalls leicht zunahm (Spanien +0,3 %), stagnierte (Frankreich 0,0 %) oder leicht zurückging (Italien -0,2 %), verzeichneten vor allem viele kleinere Staaten stärkere Zuwächse. Für die EU insgesamt meldete das europäische Statistikamt Eurostat nach vorläufigen Berechnungen einen BIP-Anstieg um 0,4 % gegenüber dem Vorquartal. Die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten (USA) nahm im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland und der EU im 1. Quartal 2022 um 0,4 % ab. Im Vorjahresvergleich liegen die BIP-Wachstumsraten der anderen EU-Mitgliedstaaten fast alle höher als in Deutschland.
Verglichen mit dem 4. Quartal 2019, dem Quartal vor Beginn der Corona-Pandemie, zeigt sich, dass das BIP in Spanien im 1. Quartal 2022 mit -3,4 % noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau blieb. Auch Deutschland (-0,9 %) und Italien (-0,4 %) haben das Niveau des 4. Quartals 2019 noch nicht wieder erreicht. In Frankreich (+1,0 %) sowie der EU insgesamt (+0,5 %) übertraf die Wirtschaftsleistung im 1. Quartal 2022 hingegen das Vorkrisenniveau. Die Vereinigten Staaten verzeichneten trotz des Rückgangs gegenüber dem Vorquartal im Vorkrisenvergleich ein vergleichsweise starkes Wachstum von 2,8 %.
Revision der bisherigen Ergebnisse und methodische Hinweise:
Neben den Ergebnissen für das 1. Quartal 2022 hat das Statistische Bundesamt auch alle vier Quartale und das Jahr 2021 überarbeitet und neu verfügbare statistische Informationen in die Berechnungen einbezogen. Im Vergleich zur Schnellmeldung am 29. April 2022 ergaben sich dabei für die Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts keine Änderungen der preisbereinigten Ergebnisse.
Aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der anhaltenden Corona-Krise sind die aktuellen Ergebnisse jedoch mit größeren Unsicherheiten als sonst üblich behaftet. Das gilt insbesondere für die saison- und kalenderbereinigten Quartalswerte: Im Rahmen der anstehenden Sommerrechnung werden turnusmäßig neben den Berechnungen der letzten vier Jahre auch die Modelle und Parameter der Saison- und Kalenderbereinigung angepasst.
Weitere Informationen:
Tiefer gegliederte Ergebnisse bietet die Fachserie 18 "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen", Reihe 1.2 "Vierteljahresergebnisse" sowie Reihe 1.3 "Saisonbereinigte Vierteljahresergebnisse nach X13". Diese und weitere Veröffentlichungen sind auf der Themenseite "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Inlandsprodukt" im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes unter der Rubrik "Publikationen" verfügbar. Unter der Rubrik "Tabellen" steht dort auch eine lange Reihe mit Quartalsergebnissen zum BIP seit dem 1. Quartal 1970 bereit.
Außerdem können diese und weitere aktuelle Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auch über die Datenbank GENESIS-Online abgerufen werden.
Einen detaillierten Vergleich der BIP-Wachstumsraten in den EU-Mitgliedstaaten bietet das Webangebot "Europa in Zahlen".
Das BIP ist auch Teil des "Krisenmonitors" (www.destatis.de/krisenmonitor), mit dem das Statistische Bundesamt die Entwicklung wichtiger Konjunkturindikatoren in der Corona-Krise und in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gegenüberstellt. Der Krisenmonitor ergänzt die Sonderseite "Corona-Statistiken" (www.destatis.de/corona), die statistische Informationen zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bündelt. Anschauliche aktualisierte Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) finden sich zudem im interaktiven VGR-Monitor Deutschland (www.destatis.de/vgr-monitor-deutschland).
Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen wirken sich auf viele Bereiche in Gesellschaft und Wirtschaft aus. Auf einer Sonderseite haben wir Daten und Informationen dazu für Sie zusammengestellt.
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