Sudan: „Das Ausmaß des Grauens für Kinder ist unvorstellbar“
UNICEF-Delegation nach Besuch im Kriegsland
Sudan: „Das Ausmaß des Grauens für Kinder ist unvorstellbar“
Katastrophaler Hunger, brutale Vertreibung und schwerste Kinderrechtsverletzungen -Geschäftsführer von UNICEF Deutschland berichtet
Port Sudan/ Köln, den 21. November 2024
„Das Ausmaß des Grauens für die Kinder im Sudan ist unvorstellbar. Und es hat viele Gesichter. In keinem anderen Land der Welt haben so viele Kinder ihr Zuhause verloren wie hier. Schwer mangelernährte, völlig ausgezehrte Kinder ringen mit jedem Atemzug um ihr Überleben. Immer wieder haben wir erschütternde Berichte über Tötungen, Verstümmelungen und unaussprechliche sexualisierte Gewalt gegen Kinder gehört“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, zum Ende seines viertägigen Besuchs der UNICEF-Nothilfeprogramme für Kinder im Sudan.
Der Sudan erlebt aufgrund des seit mehr als eineinhalb Jahren mit aller Härte geführten Krieges die schwerste Hungerkrise seit 20 Jahren. Rund 730.000 Kinder sind so schwer mangelernährt, dass ihr Leben in unmittelbarer Gefahr ist. Im Zamzam-Camp für Vertriebene in Nord-Darfur wurde bereits eine Hungersnot festgestellt, die sich auf 13 weitere Regionen auszuweiten droht. Gleichzeitig kämpfen viele mit Krankheitsausbrüchen wie Cholera, Dengue oder Malaria.
„Auf einer überfüllten Gesundheitsstation in Port Sudan teilten sich 45 lebensbedrohlich mangelernährte Kinder die 15 verfügbaren Betten – 45 Opfer dieses grausamen Krieges. Die kleinen Kinder, denen wir dort begegneten, waren so schwach, dass ihr Leben an einem dünnen Faden hängt. Im vergangenen Monat kam für sechs schwer mangelernährte Kinder auf der Station jede Hilfe zu spät. Sie schafften es nicht. Und ohne ein Ende der Gewalt in Sicht droht die Zahl der Kinder in diesem Zustand nach Einschätzungen unseres Teams im kommenden Jahr weiter auf über 770.000 zu steigen“, sagte Schneider.
Das Gesundheitssystem und die Grundversorgung der Kinder stehen aufgrund der Gewalt vor dem Zusammenbruch. Rund 14 Millionen Kinder benötigen humanitäre Hilfe, fast so viele Kinder wie in ganz Deutschland leben. Fünf Millionen Kinder wurden vertrieben, das entspricht der Zahl aller Kinder in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
„In einem Camp für Vertriebene trafen wir die 13-jährige Areef und ihre siebenjährige Schwester Mariam. Als die Kämpfe näherkamen, mussten sie ihr Zuhause in Khartum Hals über Kopf verlassen. Die grausamen Erfahrungen der wiederholten Flucht standen ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie erzählten uns, wie ihrer älteren Schwester ein Gewehrlauf an den Kopf gehalten wurde, berichteten von ihrer Angst und Verzweiflung angesichts der traumatischen Erfahrungen, ihrer Not und der ungewissen Zukunft. Sie sehnen sich nach nichts mehr als nach Frieden“, so Schneider.
Kinder sind während ihrer Flucht großen Gefahren ausgesetzt. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Sudan die höchste Zahl schwerer Kinderrechtsverletzungen seit über einem Jahrzehnt, und der grausame Trend hält an: „Kinder werden getötet und verstümmelt. Sie werden für den Kampf und Dienste bei bewaffneten Gruppierungen rekrutiert. Mädchen werden vergewaltigt und Opfer sexualisierter Gewalt, manche nicht älter als 13 Jahre alt. Allein in diesem Jahr wurden bereits 1.500 schwere Kinderrechtsverletzungen verzeichnet. Was dies für das Leben der betroffenen Mädchen und Jungen bedeutet, lässt sich kaum beschreiben.“
Christian Schneider hat mit dem Team von UNICEF Sudan vom 17. bis 20. November die UNICEF-Hilfe für Kinder in Port Sudan und Red Sea State begleitet. UNICEF setzt in der schwierigen Situation alles daran, Kinder und ihre Familien im ganzen Land mit lebensrettenden Hilfsgütern zu erreichen und kritische Dienste für Kinder aufrechtzuerhalten, sowohl in umkämpften Gebieten als auch in Regionen, in die die Familien fliehen. So erhalten Kinder unter anderem lebenswichtige Spezialnahrung und Trinkwasser, psychosoziale Hilfe und Lernangebote. In den vergangenen Wochen hat UNICEF zudem gemeinsam mit Partnern Impfkampagnen gegen Cholera und Malaria umgesetzt.
Die Bundesregierung und die Spender*innen in Deutschland zählen zu den wichtigsten Stützen dieser Hilfe für Kinder im Sudan.
Hilfe wird weiter dringend gebraucht. Insgesamt benötigt UNICEF in diesem Jahr 840 Millionen US-Dollar, um den Kindern im Sudan zu helfen. Dieser Nothilfeaufruf ist bisher nur zu 50 Prozent finanziert. Christian Schneider dazu: „Der furchtbare Konflikt und die humanitäre Katastrophe im Sudan dauern an. Auch wenn zahlreiche weitere Krisen Aufmerksamkeit fordern, muss uns klar sein: Wenn die umfassende Nothilfe in den kommenden Monaten nicht verlässlich finanziert wird, kostet das Kinderleben.“
UNICEF ruft dringend zu Spenden für die Kinder im Sudan auf. Weitere Informationen: www.unicef.de/sudan
Service für Redaktionen
Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, und UNICEF-Sprecherin Christine Kahmann stehen nach ihrer Rückkehr für Interviews zur Verfügung.
Bild- und Videomaterial des Besuchs stellen wir gerne zur Verfügung.
Weitere Fotos für die Berichterstattung finden Sie hier.
Pressekontakt: UNICEF Deutschland, Christine Kahmann, Sprecherin, 0221/93650-315 oder 0159 04139723, presse@unicef.de
Bleiben Sie auf dem aktuellsten Stand. Folgen Sie uns auf: Web | LinkedIn | Facebook | X | Instagram | TikTok