Der Wald. Ein Freizeitpark?
Wenn flüchtende Wildtiere Mountainbiker und Wanderer für "Fressfeinde" halten
Hamburg (ots)
Lockdown-Müde zog es die Menschen beim ersten Schnee während der Covid-Pandemie trotz behördlicher Warnungen und Straßensperrungen in die Naherholungsgebiete. Der Massenansturm von Rodlern, Wanderern und Freizeitsportlern schien nicht zu stoppen. Eltern zogen Kinder im Schlitten durch den Wald, Hundehalter ließen ihre Tiere ungehindert stöbern. Jogger und Mountainbiker starteten mit Stirnlampen ausgerüstet ihre Querfeldeintour bereits in der morgendlichen Dämmerung. "Es ist zwar schön, dass die Menschen in den schweren Zeiten des Lockdowns die Natur wieder entdecken", sagt Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. "Doch der Mensch sollte sich dort wie ein Gast benehmen. Der Wald ist auch die Wohnung der Wildtiere."
Der Wald. Ein Freizeitpark? Was bedeutet das für das Wohlbefinden der Wildtiere? Die Antwort ist: "Purer Stress!" Für Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung "sind Sport, Spaß und Spiel im Wald für Wildtiere unkalkulierbare Störungen. Sie nehmen den Menschen als potentiellen Prädatoren wahr, vor dem sie flüchten müssen."
Wenn der Mensch in Massen in den Wald drängt, geraten Wildtiere ins Hintertreffen. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten belegen die negativen Effekte der Störungen durch den Menschen. So hat das Schweizer Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaft in Zürich eine wissenschaftliche Studie (Effect of Recreational Trails on Forest Birds) an Waldwegen durchgeführt und festgestellt, dass Vögel durch den Menschen stark beeinträchtigt werden. 13 Prozent meiden aufgrund der Störungen dauerhaft die Wege.
Die negativen Konsequenzen der Beunruhigung im Wald sind vielschichtig und gerade in den Wintermonaten besonders dramatisch. "Die Störung fällt in die nahrungsarme Zeit, in der viele Wildtiere ihren Stoffwechsel heruntergefahren und dadurch angepasst haben, um bei Kälte Energie zu sparen", erläutert Prof. Dr. Hackländer. "Flucht kostet Kalorien, die ein Wildtier wie beispielsweise der Rothirsch über Nahrung im Winter nur unzureichend wieder aufnehmen kann." Die Folge: Rotwild dringt immer tiefer in den Wald ein, wo die Pflanzenfresser dann Fraßschäden in Wirtschaftswäldern verursachen. Das wiederum verschärft den Konflikt zwischen Menschen und Wildtieren.
"Es geht der Deutschen Wildtier Stiftung nicht darum, Menschen aus der Natur zu verbannen", sagt der Vorstand der Stiftung. Prof. Dr. Hackländer fordert vielmehr Rücksichtnahme auf Wildtiere. "Wer mit dem Mountainbike querfeldein unterwegs ist, wirkt auf Wildtiere wie ein jagender Fressfeind. Die Störung durch einen Wanderer ist damit nicht zu vergleichen." Doch wie lassen sich die Interessen der Menschen und die der Wildtiere vereinbaren? Wie muss ich mich verhalten, damit ich Wildtiere nicht beunruhige? Prof. Dr. Hackländer: "Meiden Sie vor allem die Dämmerung; das ist die Zeit, in der viele Wildtiere die Ruhe im Wald nutzen, um nach Nahrung zu suchen. Bleiben Sie auf den Wegen, halten Sie Hunde kurz angeleint und verfolgen Sie keine fliehenden Wildtiere für ein Handyfoto - und erklären Sie Kindern, dass die Beobachtung von Wildtieren auch ohne Lärm spannend sein kann."
Der Wald. Ein Freizeitpark? Verfolgen Sie die Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, im Livestream auf der Webseite boku.ac.at. Sie findet in prominenter Besetzung (u. a. mit Elisabeth Köstinger, der österreichischen Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) am Dienstag, 26. Januar, um 17 Uhr im Grünen Salon der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) statt.
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